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Habemus Papam

Das große Rennen von Melville

Wes Geistes Kind die Tragödie ist, kann man bei Nietzsche nachlesen. Über die geistige Elternschaft der Komödie, zumal der italienischen, darf anläßlich des neuen Films von Nanni Moretti noch einmal nachgedacht werden. Dem erklärten Linken und Atheisten eilt seit Jahrzehnten der Ruf voraus, das Fähnlein des italienischen Autorenfilms hochzuhalten respektive es dem heimatlichen Establishment jedweder politischer Couleur in den Hintern zu stechen. Manchmal aber scheint den Regisseur eine große Milde zu befallen. Seinem wunderbaren Film DAS ZIMMER MEINES SOHNES stand sie gut zu Gesicht. Doch was macht sie in einer als Satire antretenden Skizze über einen römisch-katholischen Betriebsunfall?

Ein betagter Herr namens Melville sitzt mit seinen Kardinalskollegen im Konklave und blickt lächelnd der Wahl eines neuen Heiligen Vaters entgegen. Zettel werden geschrieben, Stoßgebete gemurmelt, die Zeit vergeht, und dann der Schock: Melville ist Papst – durch göttliche Fügung oder aus Versehen, jedenfalls völlig unerwartet. Entgeistert läßt er sich umkleiden, beglückwünschen, segnen. Doch den letzten Schritt auf die Loggia, vor die wartenden Massen, verweigert er. Kein Zureden hilft, kein Flehen. Auch der eilig herbeizitierte Psychiater scheitert an des Alten panischer Angst vor dem Amt. Damit aber die Welt von der Protokollpanne nichts erfährt, wird der Arzt kurzerhand interniert und sorgt mit einem Volleyballturnier für Zerstreuung unter den wartenden Kardinälen. Melville indes macht sich bei nächster Gelegenheit vom vatikanischen Acker – rein in den Bus, raus in den römischen Alltag und ab ins nächste Theater.

Wo wir beim Hin- und Wegsein sind: Dieser große alte Michel Piccoli, diese zwischen sanft und bockig changierende Papstfigur lohnte den Besuch – wäre sie nur in einem anderen Film untergebracht. Hier jedenfalls, zwischen albernen Sporteinlagen und seltsam geschwätzigen, selbstredend ironischen Ausflügen in die Grundlagen der Psychoanalyse, wird sie nicht heimisch. Denn Moretti kann sich nicht entscheiden, ob er seinen flüchtigen Pontifex Maximus durchkitzeln oder doch lieber umarmen möchte, ob er vor Neid auf die berauschenden Symmetrien und Rituale der Katholiken erblassen oder sie doch einmal mehr als Theaterkulissen entzaubern soll.

Originaltitel: HABEMUS PAPAM

I 2011, 110 min
FSK 0
Verleih: Prokino

Genre: Komödie

Darsteller: Michel Piccoli, Jerzy Stuhr, Ulrich von Dobschütz, Nanni Moretti, Margherita Buy

Regie: Nanni Moretti

Kinostart: 08.12.11

[ Sylvia Görke ]