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Haus Bellomont

Vom Makel mittellos zu sein

Sie sieht gut aus, ist charmant, eloquent und hat Manieren. Doch ein einziger Makel verhindert den Schritt auf das ganz hohe Treppchen: die gute Lily Bart ist mittellos.

Als ihr durch das allabendliche Glücksspiel die letzten Taler ausgehen, gilt sie in der piefigen Reiche-Leute-Gesellschaft von New York zur Jahrhundertwende als verloren, unwürdig und irgendwie peinlich. Der einzige Weg ihr Ansehen wieder zu erlangen, wäre eine Heirat mit einem - was sonst - ordentlich vermögenden Edelmann. Obwohl Lily ihr Herz längst an den Anwalt Lawrence Selden verloren hat, kommt der nicht in die engere Wahl, da er zwar angesehen ist aber auch argwöhnisch beobachtet wird, weil er für seinen Lebensunterhalt noch selbst aufkommen muß. Was folgt sind unmoralische, lüsterne Angebote reicher Lackaffen, die trotz ehelicher Bindung nicht davor zurückschrecken würden, eine so stolze Person wie Lily Bart zur Hure zu machen. Lily nimmt ihr Schicksal in die Hände, sucht sich Arbeit, schraubt ihre Ansprüche auf ein fast unerträgliches Maß herunter und könnte doch mit einem Schlag aus dem Schneider sein: Sie hat die Gesellschaft belastende Liebesbriefe in ihrem Besitz. Doch was Lily von den Satinprotzern unterscheidet: sie hat Würde. Auch wenn dies ihre Verdammnis besiegelt. Lily wird vor die Hunde gehen...

Wer vor dem Kino schon schlaumeierisch abwinkt "Ach! Kostümfilm", verpaßt eines der aufwühlendsten filmischen Erlebnisse der letzten Jahre. Geschliffene Dialoge, erstklassige Schauspielerduelle und nicht zuletzt die allgegenwärtige Frage nach Wert und Charakter machen diesen Film zur ergreifenden, brillant dicht erzählten Gesellschaftsstudie. Terence Davies begnügt sich nämlich kaum damit, bei Tee und dünnem Gebäck blödsinniges Geschwätz zarter Gelddamen und im Zigarrendunst halbseidenes Wirtschaftsgelaber fettbäuchiger Geschäftsmänner unkommentiert stehen zu lassen. Bei ihm wird es wirklich giftig. Er attackiert die Unsicherheit derer, die sich hinter ihrem stumpfen Reichtum verstecken. Menschen, die zur Sockelfestigung mit Intrigen, Gerüchten und Verleumdungen bereit sind, andere ins Verderben zu stürzen. Eigentlich wie heute.

Originaltitel: THE HOUSE OF MIRTH

GB 2000, 135 min
Verleih: Arthaus

Genre: Literaturverfilmung, Drama

Darsteller: Gillian Anderson, Eric Stoltz, Dan Aykroyd, Laura Linney

Regie: Terence Davies

Kinostart: 13.09.01

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.