Originaltitel: THE THIEF LORD

D 2005, 98 min
Verleih: Warner

Genre: Kinderfilm, Literaturverfilmung, Erwachsenwerden

Darsteller: Rollo Weeks, Aaron Jihnson, Jasper Harris

Regie: Richard Claus

Kinostart: 05.01.06

Noch keine Bewertung

Herr der Diebe

Kinderland in Diebeshand

Prosper und Bo haben ihre Mutter verloren, den Vater kannten sie nie. Und während der kleine Bo bei Tante und Onkel Hartlieb ein ungeliebtes Adoptiv-Zuhause gefunden hat, wurde Prosper ins Waisenhaus gesteckt. In einer Nacht- und Nebelaktion fliehen sie Richtung Venedig, jene magische Stadt, in die sie beinahe mit ihrer Mutter gezogen wären. Sie schließen sich dem 15jährigen Meisterdieb Scipio und seiner Bande von Waisenkindern an. Ein großer Auftrag steht an: Scipio und seine Helfer sollen einen hölzernen Flügel aufspüren, der zu einem Jahrhunderte alten magischen Karussell gehört, welches das Alter seiner Passagiere beeinflußt. Noch wissen die Kinder nicht, daß ihnen der Privatdetektiv Victor, den das Ehepaar Hartlieb angeheuert hat, bereits dicht auf den Fersen ist. Bald sind sie Jäger und Gejagte zugleich ...

Oh Kinderland, du mystischer Ort, wo die Jungen das Sagen haben und Erwachsene machtlos sind! Du existierst in jener beinahe hermetisch abgeriegelten Welt der Kinder- und Jugendliteratur, deren Koordinaten wir irgendwann vergessen haben. Cornelia Funke scheint einen Atlas von diesem Ort zu haben und erzählt Geschichten, die spätestens 2006 über Alters- und Ländergrenzen hinweg bekannt werden dürften. Ihre nächste Romanverfilmung WILDE HÜHNER wartet schon in den Startlöchern, und mit der Fantasy-Saga TINTENHERZ liebäugelt derzeit Hollywood. Was ist also dran, an Frau Funke? Möglicherweise ist es ihre Sympathie für schicksalsgebeutelte Kinder; ein intaktes Elternhaus kann man in HERR DER DIEBE nämlich nicht ausmachen. Vielleicht ist es auch ihr Gespür für Abenteuer, wenn sie für die kindliche Diebesbande ein Ersatzzuhause im ausgedienten Kino "Stella" erdenkt und sie auf Verfolgungsjagden durch Venedigs Kanäle schickt.

Die stärkste Anziehung geht jedoch von der emotionalen Kraft der Geschichte aus, denn trotz routinierter Regie und einem kleisternd süßlichen Soundtrack bleiben die Momente zwischen den Brüdern Bo und Prosper im Gedächtnis haften. Sie sind auf sich allein gestellt und einander die einzige Familie. Doch gemeinsam überstehen sie alle Abenteuer und auch die Übergriffe der hartnäckigen Adoptiveltern. So bietet HERR DER DIEBE einen spannenden Einstieg in die Welt der Cornelia Funke. Sie ist nicht heil und harmlos und gerade deshalb eine Entdeckungsreise wert.

[ Roman Klink ]