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Holidays By The Sea

Liebesgrüße an Charlie, Jacques und Emir

Schade, daß überbordende Fantasie ein beim Publikum allenfalls einmal im Jahr einzuforderndes Gut ist. Die wurde augenscheinlich beim wunderbaren Stummfilm THE ARTIST verpulvert, für den Start des ebenfalls mit dem Mittel der Sprachlosigkeit arbeitenden und darüber hinaus ganz fabelhaften Film HOLIDAYS BY THE SEA blieb da nix mehr übrig, weshalb die Startwochenende-Besucherzahlen dreistellig blieben. Umso schöner, daß sich zwei Leipziger Kinos dennoch entschieden, Pascal Rabatés dritten Langspielfilm einzusetzen, eine richtige Entscheidung, weil der Film nicht weniger ist als eine große Liebeserklärung an das Kino, eine skurril-charmante Verbeugung vor den cineastischen Großtaten der Herren Chaplin, Tati und Kusturica.

Die Geschichte ist eher grob skizziert als dem Anspruch verpflichtet, komplex und in aller Ausführlichkeit auf den Bahnen des tausendfach Erprobten zu parlieren. Es geht um die Tage am Meer, die wohl schönsten im Jahr aller ehrenwert arbeitenden Menschen, die Rabaté in ihrer Verschiedenheit hier (über-)zeichnet: ein S/M-Pärchen, wobei die Domina eher durch kriminelle als sadistische Einfälle glänzt, Menschen, die Drachen steigen lassen, im Golfcaddy durch die Szenerie rollen, mit Akribie per Hand Strichcodes auf die Artikel im Supermarkt zeichnen, punkige Lesben, flügge werdende Töchter, Freunde des Scrabblespiels und der Nudistenkultur. Ein Spektrum an Zeitgenossen, wie man ihnen im Urlaub begegnet, mehr oder weniger freiwillig und in unterschiedlichem Maße zugeneigt.

Rabaté karikiert liebevoll den Irrsinn des Verreisens, das fast zwanghafte „Ab jetzt wird sich erholt!“-Diktat, und in nicht wenigen Momenten scheint er sich in seinem teils auch groben Witz an die englischen Filme der 50er und 60er von Ralph Thomas zu erinnern. Man lacht über die teils anarchistisch durch die Strandkulisse polternden Protagonisten, man schmunzelt über spontanen Partnertausch, späteheliches sexuelles Begehren, und man kommt nicht umhin, sich trotz des ziemlich durchgeknallten Personals nach dem nächsten Urlaub zu sehnen.

Da haben die pittoresken Aufnahmen des altehrwürdigen Seebades ihren Anteil. Überhaupt steht HOLIDAYS BY THE SEA für das Kino der guten alten Zeit, als man noch wußte, wofür das Medium einst ersponnen wurde – um in Bildern zu erzählen.

Originaltitel: NI À VENDRE NI À LOUER

F 2011, 77 min
FSK 12
Verleih: Movienet

Genre: Stummfilm, Schräg

Darsteller: Jacques Gamblin, Maria de Medeiros, Dominique Pinon, François Damiens, Gustave Kervern

Regie: Pascal Rabaté

Kinostart: 02.08.12

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.