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Ich, Tomek

Was kostet Liebe?

Selbst auf die Gefahr hin, mich als eine derer zu outen, die jedes Gespräch über jeden Film mit der Frage anfangen: „Hast Du den im Original gesehen?“, muß ich an dieser Stelle und auch wirklich gleich am Anfang mein unendliches Bedauern darüber äußern, Robert Glinskis bewegenden Film in einer deutschen Synchronfassung gesehen zu haben. Nicht, daß ich da Prinzipien reiten möchte, aber bei bestimmten Filmen geht das einfach nicht. Und Tomek, der mit seinen 15 Jahren in der polnischen Grenzstadt Gubin aufwächst, nimmt man fast alles Natürliche, wenn man ihn seiner Sprache beraubt. Was hätte ich darum gegeben, ihn mit seiner Angebeteten, der gleichaltrigen Marta, im Zodiak, der Disko des Ortes, auf Polnisch flirten zu hören. Ein ganzes Universum an Sprachmelodie, die man noch nicht einmal verstehen muß, nur fühlen, geht uns verloren. Aber wer eigentlich wen warum wie zwingt, einen Film zu synchronisieren, kann hier nicht geklärt werden.

Darum bleiben wir bei der Geschichte. Die hat es in sich. Jugend im Grenzgebiet heißt vor allem Streben nach Konsum, nach dem westlichen natürlich. Und weil in der ganzen Region, diesseits und jenseits der Staatsgrenze die Arbeit rar oder schlecht bezahlt wird, ist es hart, sich den Wunsch nach Luxus zu erfüllen. Die Elterngeneration ist auch kein Vorbild mehr, weil oft arbeitslos und ideell in einem untergegangenen System verhaftet. Marta will ihr Leben nicht verschlafen. Und Tomek soll bezahlen: ihre Veneers für strahlende Zähne, schicke Turnschuhe und eine Reise zur Love Parade nach Berlin. Sie scheint auch zu wissen, wie man sich Männer für ihre Bedürfnisse klarmacht. Bei Tomek reichen sogar ein paar Küsse, und er ist bereit, alles zu tun, um Marta nicht zu enttäuschen. Nur muß er mit seiner Unschuld bezahlen, die jeder um ihn herum schon lange verloren hat.

Glinski erzählt die Entwicklung von Tomek, dem aufgeweckten Sternenkucker, zum Swinka, einem Schweinchen – Umgangssprache für jemanden, der sich verkauft – vielleicht ein wenig zu rasant. Vor allem den Part, in dem Tomek selbst zum korrupten Zuhälter wird. Filip Garbacz, der den Tomek mimt, fängt das geballte Tempo jedoch beachtlich ab, mit seiner eindringlichen und doch sehr zurückhaltenden Darstellung eines unschuldigen Grünschnabels mit zu viel Gel in den Haaren, der innerlich zerbricht und dadurch vom Verratenen zum Verräter wird.

Originaltitel: SWINKI

Polen/D 2009, 94 min
FSK 16
Verleih: Salzgeber

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Filip Garbacz, Anna Kulej, Daniel Furmaniak, Dorota Wierzbicka, Rolf Hoppe

Regie: Robert Glinski

Kinostart: 10.06.10

[ Susanne Schulz ]