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Im Schwitzkasten

Ensemblekomödie zwischen Faust II und Harz IV

Sie saunieren gegen die Arbeitslosigkeit oder besser: trotz Arbeitslosigkeit. Toni, Karin, Dani, Monika und Norbert. Das deutsche Stimmungs-tief hat bei ihnen voll zu Buche geschlagen, selbst bei den Saunabesitzern, Nadinchen und Jost, in deren vier hölzernen Wänden alle einmal in der Woche ihre Mißerfolge, Identitätskrisen und Überforderungen ausschwitzen.

Ein kleines Paradies sollte die Wellneß-Adresse im Herzen von Berlin eigentlich sein. Aber das Leben macht leider nicht vor der Saunatür halt, nein, es streift nicht einmal mehr seine Schlappen ab. Karin etwa kann es unter dem Druck der Selbständigkeit auch hier nicht lassen, Lebensversicherungen anzupreisen, während ihr verunsicherter Ex-Mann Toni in sexueller Hinsicht vorsichtig wieder auftaut angesichts der Flugbegleiterin Dani, die wiederum noch nicht begriffen hat, daß man sie gerade aus den Wolken wegrationalisiert hat. Wir müssen nur wollen - die studierte Sozialhilfeempfängerin, wunderbar besetzt mit Laura Tonke. Und der überschuldete Jost träumt seinen größenwahnsinnigen Traum von einer lukrativen Expansion seiner kleinen Oase auf der grünen Wiese.

Die Sauna als Gesellschaftsporträt - ein schönes und naheliegendes satirisches Bild, das Regisseur Eoin Moore zur kammerspielhaften Typenkomödie ausgebaut hat. Der Staat ist pleite, wie der gescheiterte Goethe-Spezialist und Besserwisser Norbert passend bemerkt, die Angst steht den Menschen ins Gesicht geschrieben. Das wird in Moores Zuspitzung deutscher Mentalitätsleiden deutlich, einen Aufguß zu deutlich. Moore bringt in der Sauna mehr zusammen, als die Bänke tragen. Die gut angedachten Einzelepisoden und Personenporträts bleiben dadurch oft oberflächlich und stichwortartig, und die Schauspieler entfalten sich bei bester Besetzung nicht so, wie sie könnten, wenn die brave Inszenierung ihnen mehr Luft zum Atmen ließe.

Erst zum Ende entwickelt sich so etwas wie ein erzählerischer Zwang. Statt einer großen menschlichen Komödie gibt es daher ein sehenswertes Komödchen.

D 2005, 98 min
Verleih: Alamode

Genre: Episodenfilm, Komödie

Darsteller: Charly Hübner, Steffi Kühnert, Christiane Paul, Edgar Selge, Andreas Schmidt, Laura Tonke, Esther Zimmering

Regie: Eoin Moore

Kinostart: 30.03.06

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...