Originaltitel: INLAND EMPIRE

USA/F/Polen, 172 min
Verleih: Concorde

Genre: Drama, Psycho, Schräg

Darsteller: Laura Dern, Jeremy Irons, Justin Theroux, Harry Dean Stanton

Regie: David Lynch

Kinostart: 26.04.07

Noch keine Bewertung

Inland Empire

Kompromißlos, kryptisch, verwirrend - eine neue Rätselstunde mit David Lynch

Wie mag es heute einem ergehen, der zum ersten Mal in einen Lynch-Film gerät? Sicher genauso, wie es jemandem widerfährt, der die Reise in menschliche oder vielmehr unmenschliche Abgründe nicht zum ersten Mal tut: er wird viel Faszination empfinden, er wird recht ratlos bleiben. Lynchs neuester Exkurs in eine dreckige Welt des Raunenden, des Skurrilen, des arktischen Dauerrauschens auf der Tonspur, des Unverständlichen ist purer Härtetest. Auch und gerade für Lynch-Fans. Denn der große David tut zweierlei: er tritt auf der Stelle und geht dennoch mit ungewöhnlicher, auch anstrengender Kompromißlosigkeit weiter. Um gegen Erzählkonventionen auch noch mit über 60 zu rebellieren, um der Einfachheit des Lebens und auch der des Filmemachens in den Hintern zu treten, vielleicht aber auch, um sich zu gefallen, an der Eigenständigkeit zu berauschen. Eine wahrscheinlich ganz gesunde Methode.

Wieder - nach MULHOLLAND DRIVE - erzählt er von einer Schauspielerin. Hier ist es Nikki, die - bereits auf dem absteigenden Ast - eine neue Chance bekommt. Was sie jedoch nicht weiß, daß es sich bei dem Projekt quasi um eine Neuverfilmung handelt. Das Original wurde nie fertiggestellt, weil die Hauptdarsteller die Dreharbeiten nicht überlebten ...

Eine für Lynchs komplex-abstruse Gedankenwelt ganz wunderbare Ausgangskonstellation, um Nikki zahlreiche merkwürdige Begegnungen, andere, frühere oder parallel angelegte Identitäten zu verpassen und den Zuschauer mal wieder über Strecken durchaus fesselnd in eine Welt zu entführen, die optisch nicht einzuordnen ist, die allerhand kuriose, beängstigende und wirres Zeug flüsternde Figuren und absurde Wendungen bereithält, die stets Antworten vortäuscht, um weitere Fragen aufzuwerfen: Warum bügelt ein Hase im rosa Morgenrock, was soll der Schraubendreher im Frauenleib, warum ist hinter einer Tür, die ohnehin nur zur Gosse führen kann, noch immer eine weitere? Das Verwirrende, auch das Knisternde liegt Lynch wie in seinen besten Tagen - und auch INLAND EMPIRE gehört zu diesen komplett nichtlinearen Rätseln über das Böse, über die Bedrohung von Außen und die Ängste von Innen. Es gibt diesmal gar Sätze zum Mitschreiben: Lynchs kryptische Heldin darf "Wenn ich durchdrehe, drehe ich richtig durch" sagen, dem Western entleiht er den wiederkehrenden Text daß " ... eine offene Rechnung beglichen werden muß" und ins Kubricksche Philosophieuniversum findet er mit der Weisheit "Keiner weiß, was vorher war .... oder hinterher."

Extrem ist an diesem Film vieles: die Form, da Lynch sich von arrivierten Kinobildern verabschiedet und digital und gern auch mal unscharf filmt, die Länge, da sich doch einiges auch an dramaturgischer Effizienz rausholen ließe und wie immer das Konterkarierende bei ihm: hier tanzen polnische Huren den Locomotion. Solche Momente sind erstklassig, verschaffen Luft und machen dabei ganz deutlich klar, daß noch jeder Film eines David Lynch einer Phantomjagd gleich kommt. Das Phantom ist die Interpretation und dies wird untermauert, in dem selbst Häschen irren können. Meint im Film doch eines der Langohren: "Ich werde eines Tages dahinter kommen!"

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.