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Invasion

Psychothriller mit darstellerischem Kraftzentrum

Der Einsame ist manipulierbar. Vor allem der Einsame, der einsam in Verlassenheit ist. Der kleine Unterschied macht es aus: Denn der Verlassene, also der, der in Einsamkeit zurückblieb, trägt schwerer als der, der nichts anderes kennt als Einsamkeit. Der, der vom Glück gekostet hat, ist unglücklicher im Unglück. Und Josef kannte das Glück, und es wurde ihm genommen: Seine Frau und sein Sohn starben, und was Josef seitdem das Leben noch bietet, ist die zehrende Einsamkeit des Verlassenen.

INVASION, der neue Film von Dito Tsintsadze, skizziert in knappen Anfangsszenen das beklemmende Porträt dieses Josef, den Burghart Klaußner als Bravourstück der Schauspielkunst gibt. Was hier schon erwähnt sei, weil es sich Klaußner verdankt, daß dieser Film auch dann noch funktioniert, wenn ihm Stimmung und Spannung schon weitgehend abhanden gekommen sind. Was der Schauspieler schafft: eine Figur der psychischen Instabilität Kraftzentrum sein zu lassen. Sich im Spiel zurückzunehmen und doch das Spiel zu bestimmen. Eine fabelhafte darstellerische Performance – in aller Ruhe, in der hier wahre Kraft liegt.

Daß dieser Josef in seiner langen, fast schmerzenden Passivität an den berühmten Josef Franz Kafkas erinnert, dürfte kein Zufall sein – so wie auch diese Geschichte kafkaeske Züge trägt: Auf dem Friedhof trifft Josef Nina, die sich als Cousine seiner verstorbenen Frau vorstellt. Josef lädt die ihm Unbekannte in seine weiträumige Villa ein. Die Gegenwart eines Menschen tut gut, Nina wird ein Dauergast. Wie auch deren Sohn, der plötzlich auftaucht. Und der Josef bald seine schöne Frau Milena samt deren kleinem Sohn vorstellt. Für alle ist genug Platz im Haus, sie alle lassen Josef seine Einsamkeit vergessen. Und auch als Ninas mysteriöser Geliebter Konstantin erscheint, glaubt Josef noch an eine glückliche Fügung, die ihm eine Ersatzfamilie ermöglicht. Doch die Stimmung wird kippen, die Gäste sich zu Eindringlingen wandeln. Aggressiv in ihrer Zudringlichkeit, perfide in ihren Manipulationen.

Das funktioniert lange gut als Psychothriller eigenwilliger Atmosphäre und bösen Humors – und zerdehnt sich dennoch ob einer ewigen Wiederkehr immer gleicher Konstellationen. Da schleifen inszenatorisch die Zügel, nur um am Ende den Gaul ins Räuberpistolen-Finale galoppieren zu lassen. Klaußner sitzt aber auch dann noch gut im Sattel.

D/Österreich 2012, 102 min
FSK 16
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Burghart Klaußner, Merab Ninidze, Heike Trinker

Regie: Dito Tsintsadze

Kinostart: 28.02.13

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.