Originaltitel: JACKIE

USA 2016, 100 min
FSK 12
Verleih: Tobis

Genre: Biographie, Drama, Historie

Darsteller: Natalie Portman, Peter Sarsgaard, Greta Gerwig, Billy Crudup, John Hurt

Regie: Pablo Larraín

Kinostart: 26.01.17

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Jackie

Zwischen Trauer und Inszenierung

Es ist eine Szene, die sich tief ins kollektive Gedächtnis der Vereinigten Staaten von Amerika eingebrannt hat: Der junge Präsident John F. Kennedy wird am 22. November 1963 im offenen Wagen in Dallas erschossen. Seine neben ihm sitzende Ehefrau Jackie klettert daraufhin verzweifelt auf das Heck der Limousine. Ihr blutverschmiertes rosa Kostüm behielt sie auch in den folgenden Stunden an.

Das Leben der Jacqueline Kennedy, das zwischen öffentlichem Glamour und privater Verzweiflung oszillierte, wurde bereits mehrfach verfilmt. Die aktuelle Verfilmung durch den Chilenen Pablo Larraín konzentriert sich vorwiegend auf die Tage zwischen dem Attentat und der Beerdigung Kennedys. Erzählt wird dabei ausschließlich aus der Perspektive der 1994 verstorbenen Präsidentengattin. Den Reiz des Filmes macht vor allem seine nicht-lineare, assoziative Struktur aus, die den Zuschauern jedoch auch eine erhöhte Konzentration abverlangt. Ellipsenhaft bewegt sich die Geschichte zeitlich vor und zurück. Nach und nach entsteht auf diese Weise das Bild einer Frau im Ausnahmezustand, die in ihrer tiefsten Trauer dem grellen Licht der Weltöffentlichkeit ausgesetzt ist.

Doch selbst in dieser Situation bewahrt Jackie – die von Natalie Portman in einer sehr auf die anstehenden OSCARS schielenden Performance verkörpert wird – eisern Haltung. Einen Zusammenbruch kann sie sich nicht leisten. Stattdessen ergreift sie die Chance, das politische Vermächtnis ihres Mannes zu festigen, indem sie ein pompös-pathetisches Staatsbegräbnis inszeniert. Gegen jegliche Sicherheitsbedenken setzt Jackie durch, daß sie und die anderen Staatsoberhäupter hinter dem Sarg Kennedys marschieren. Auch ihre zwei Kinder sind Teil dieses Schauspiels.

Es ist gerade diese politische Inszenierung, die den Regisseur interessiert. JACKIE ist der erste englischsprachige Film des Chilenen, der mit NO! und EL CLUB als einer der aktuell interessantesten Independent-Filmemacher bekannt wurde. Die politische Macht, ihre deformierenden Auswirkungen auf das Seelenleben der Menschen, ist das Hauptmotiv dieses Regisseurs. Gleichwohl merkt man seinem neuen Film an, daß Larraín sich hier auf für ihn ungewohntem Terrain bewegt und von Hollywood in nicht geringem Maße vereinnahmt wird.

Und doch ist es mehr als eine Randnotiz, wenn ein Chilene ein Herzstück der jüngeren US-Geschichte filmisch deutet und sich damit gewissermaßen aneignet. In seinem dritten Film POST MORTEM (2010) zeigte Larraín schon einmal einen zerschossenen Präsidentenschädel: Den von Salvador Allende, der sich nach dem Putsch durch Augusto Pinochet am 11. September 1973 das Leben nahm. Dieser Putsch wiederum wurde durch die US-amerikanische Einmischung in die chilenische Innenpolitik in den 60er und 70er Jahren unterstützt.

Wie in früheren Filmen setzt Larraín erneut analoge Objektive ein, um zeitliche Authentizität zu vermitteln. Allerdings tut er es diesmal nicht durchgängig. Der Großteil der Bilder kommt in opulentem Cinemascope daher. Jackie und das von ihr restaurierte Weiße Haus werden prunkvoll in Szene gesetzt. In dieser so prächtigen wie originalgetreuen Ausstattung wirkt die First Lady in ihren stilbildenden Kostümen wie das kostbarste Juwel in einer überladenen Schatzkammer.

Die private Jackie verschwindet dabei jedoch weitgehend hinter ihrer öffentlichen Rolle. Als Mensch bleibt sie kaum faßbar. Eine Ikone eben, und die versprühen per definitionem wenig Lebendigkeit.

[ Dörthe Gromes ]