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Jenseits von Tibet

Sieg der Liebe oder Endlossinnsuche?

Normalerweise hätte das Private einer Kleinfamilie, die sich mit dem Himmel über Berlin bescheidet, niemanden zu interessieren. Wenn nun aber ein Dokumentarfilm nur am Persönlichen interessiert ist, dann muß sich diese Familie schon als etwas Besonderes empfinden.

Die Gattin: Sandra, die sich das Pseudonym SANTRRA zulegte, wollte mit 14 weg von Zuhause, hin "zu meinem Liebhaber nach Frankreich". Bis nach Berlin ist sie damals gekommen und bis zum Heroin. Heute, nach zwanzig Jahren beeindruckt sie als schöne Frau und Mutter. Auch wenn sie sich zuallererst als Künstlerin empfehlen würde, die ihre Gesundheit einer "Punktherapie" verdankt. Es kommt vor, daß sie sich ein Akkordeon auf den Buckel schnallt und damit durch indische Wälder pilgert oder durch die Berliner Szene: "Ich singe euch jetzt mal ein Lied aus dem Tibet, obwohl es vielleicht nicht tibetisch klingen wird..." Nein es klingt nicht tibetisch, es klingt immer ein wenig wie Nico, mit der Sandra vieles gemein hat: die Drogenerfahrung, die tiefe Stimme, den "dilettantischen Charme", wie ein Musikerkollege bemerkt. Und die Sucht nach extremer Verwandlung: aus der Punk-Ikone wurde eine ZEN-Nonne und so vieles mehr...

Der Gatte: Er ist die sechste Reinkarnation eines Lama und wuchs als Mönch in einem Kloster auf. Vom chinesischen Militär verhaftet und gefoltert, floh er nach Indien. Als er seine zukünftige Frau zum ersten Mal sah, glaubte er, sie sei eine dieser verrückten Europäer, die immer mal vorbeikommen. Mit Liebe, Wörterbüchern und dem Satz, daß "hier buddhistische Lehrer gesucht werden", schaffte sie es, ihn nach Deutschland wegzuheiraten. Das Zölibat hatte er ohnehin längst satt. Den Hut neben sich, betet er heute in der Fußgängerzone, am Abend zählt seine Frau das verdiente Geld: "In einer Familie darf es nur einen Finanzminister geben. Manchmal kann ich ihm nur drei Mark Taschengeld für den Tag geben, weil es für mehr nicht reicht."

Das Kind: Es ist zu klein, um seine Zerrissenheit zwischen täglichen Meditationen und deutscher Gründlichkeit zu bemerken.

Dank eines hervorragenden Kameramanns an der Seite gelang der Jungregisseurin ein außergewöhnliches Porträt zweier Liebenden, die sich aufgrund ihrer kulturellen Prägung fremder nicht sein konnten, es möglicherweise in Deutschland aber wieder werden.

D 2000, 89 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation, Biographie

Darsteller: Santrra Oxyd, Ngawang Gelek, Tara Herbener

Regie: Solveig Klassen

Kinostart: 19.07.01

[ Angela Rändel ]