Originaltitel: JUDY

USA 2019, 118 min
FSK 0
Verleih: Entertainment One

Genre: Biographie, Drama, Musik

Darsteller: Renée Zellweger, Jessie Buckley, Rufus Sewell, Michael Gambon

Regie: Rupert Goold

Kinostart: 02.01.20

4 Bewertungen

Judy

Die Zauberin von London

Egal, wie schlecht es um die Wirtschaft stand, wie mies es den Leuten ging, um ein kleines Mädchen im Kino zu sehen, zahlten sie. Weil die Kleine das Besondere hatte, eine Gabe, die schmerbäuchige Hollywood-Produzenten erkannten und die Cash-Cow bis an die Grenze zu körperlichen Übergriffigkeiten und darüber hinaus molken. Die Dollarmaschine hieß Judy Garland, eine schauspiel- und stimmbegabte Marionette an den Fäden der Studiobosse, die ihr spätestens in der Pubertät klarmachten, daß sie Judys kleine Träume just in dem Moment platzen ließen, wenn sie nicht an der Vorgaukelei ihrer größeren Träume mitmachen würde. Doch Judy wünschte sich mehr Zeit, weniger Drehstreß, eben dieses „kleine Leben“, auf das die Hollywoodchefs verächtlich schauten.

Es war nur eine Frage des „Wann?“, bis aus der kleinen Judy, dem angesagten Kinderstar aus DER ZAUBERER VON OZ, die erwachsene, am Druck scheiternde, von der Wechselwirkung diverser Aufputschmittel und Einschlafhilfen und dem sinkenden Publikumsinteresse gebrochene Garland wurde, der nach vier Ehemännern, drei Kindern, mehreren Abstürzen der Ruf eines Ex-Stars anpappte, der einer unzuverlässigen und unberechenbaren Künstlerin außerdem. Garland war pleite, enttäuscht und unendlich müde. Bis ein Angebot aus London kam, wo man sie nicht vergessen hatte, ein Publikum noch in die Hallen strömte, um sie zu hören.

Hier setzt JUDY ein, Rupert Goolds ergreifendes Biopic, das wie aktuell andere auch statt des kompletten biographischen Bogens eine markante Episode des Künstlerlebens rauspickt und diese mit Rückblenden unterfüttert, um verstehen zu lassen, wie aus einem Kind, das bereits mit zwei Jahren auf einer Bühne stand, eine sich an den letzten Hoffnungshalm klammernde, eßgestörte, alkohol- und tablettenabhängige und dennoch mit ganzem Herzen liebende Frau werden konnte. Goold bedient gekonnt auch unseren Voyeurismus, auf sehr eigenwillige Art lieben wir es ja, ungewöhnliche Menschen im Glanz, beim Scheitern und Wiederaufstehen zu sehen. Die Erzählart dabei ist eher konventionell als probierwütig, was aber in Ordnung geht, weil so der Fokus geschärft wird auf eine quasi neu zu entdeckende Künstlerin: Renée Zellweger. Man kommt nicht umhin zu bekennen, daß man Zellweger über die Jahre schlicht verkannt hat. Zu Beginn fiel sie einem als NURSE BETTY auf, dann war sie doch „nur“ noch BRIDGET JONES. Ein Trugschluß, wie ihr herzpochendes, schwer berührendes Spiel in JUDY zeigt. Sie verschlingt diese naive, trotzige, sture, kämpferische Frau, keinen Moment denkt man an Renée Zellweger, sie verschmilzt mit und wird zu Judy Garland, die auch mit Mitte 40 noch wie ein Kind wirkt, das immerzu fragt: „What Now?“

Zellweger kitzelt all das aus ihrer Figur raus, was tatsächlich noch da war, aber von Wut, Suff und Gattenverschleiß verschüttet wurde: Charme und Witz, Fürsorge und Kampfgeist, gepaart mit dem Divenhaften einer großen Interpretin. Zwei Momente in dem an berührenden Szenen wahrlich nicht armen Film sorgen für Gänsehaut. In einem wird Garland von zwei ihr ergebenen schwulen Fans Ende der 60er Jahre in deren Wohnung eingeladen, diese Liebe im Versteck geht Garland nahe, sie versteht bestens, wie es ist, nicht sein zu dürfen, was man ist, und in einem anderen Moment bricht es einem fast das Herz, als sie mit ihren Kindern im Foyer eines Hotels aufgrund beträchtlicher Schulden abgewiesen wird. Dieses Wechselspiel aus charmanten Überrumpelungsversuchen, flehendem Druck und folgender Enttäuschung und stolzer Wut – das hat Zellweger mit sich verdunkelnden Augen, verändernder Körperhaltung und diesem hingerotzten Rest-Ehrgefühl hinreißend drauf. Wir haben sie verkannt.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.