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Junebug

Familiäre Konflikte im Leerlauf

Madeleine hat alles im Griff: Ihre Galerie läuft, Neugatte George ist ein Schatz, und gerade steht ein großer Deal mit einem Künstler ins Haus. Leider hat Madeleine aber ebenfalls unbekannte Verwandte, nämlich Georges Familie. Ein Besuch soll dem Kennenlernen dienen – Großstadt trifft Provinz. Doch auch sonst prallen Welten aufeinander. Georges Bruder entpuppt sich als wütender Querschläger, dessen schwangere Ehefrau Ashley unerfüllte Sehnsüchte durch Geplapper überdeckt. Ihr Baby soll es besser haben, wofür in Ashleys traurigem Denken der Name Junebug garantieren wird. Über alle wacht Mutter Peg, welche Gefühle mittels Sarkasmus transportiert. Madeleines Kampf um Anerkennung und gegen ihren antrainierten Egoismus beginnt ...

Solcherlei Ensemblestücke leben natürlich von starken Mimen und Figuren, woran es hier in beiden Fällen fehlt. Kaum ein Charakter zeigt Entwicklung, man umkreist sich selbst, enthüllt kaum Facetten. Hinzu kommt mit Embeth Davidtz eine reichlich fade Protagonistin, an deren Leben man nur mäßigen Anteil nehmen möchte. Superbe Nebendarsteller erhalten dagegen nahezu keine Möglichkeiten zur Entfaltung, weshalb unter anderem Celia "Peg" Weston untergeht – eine Schande. Letztlich überzeugt lediglich Amy Adams als Ashley. Wie sie läuft, spricht, kreischt, viel zu laut lacht, das ist quasi Daisy Duck auf Antidepressiva, so anrührend komisch wie enervierend tragisch. Gegen den Leerlauf im Drehbuch kommt allerdings auch sie nicht an – ein bißchen Witz, ein wenig Drama, perfekt vermischt, jedoch seltsam distanziert inszeniert. So etwas wie Herzblut tröpfelt zwar vereinzelt durch die hiesigen cineastischen Venen, zum echten Fluß reicht es indes nirgends.

Vielleicht wurde JUNEBUG ebenso wenig jemals die Chance auf ein erfülltes Dasein geschenkt wie dem titelgebenden Kind. Schließlich sagt sein geistiger Vater, Regisseur Phil Morrison, selbst: "Ich hatte eigentlich nie das Gefühl, daß man diese Geschichte unbedingt verfilmen muß." Und eventuell ist das auch der Grund, wieso sich dieses per se angenehm unaufdringliche Werk so still, wie es kam, wieder aus der Erinnerung verflüchtigt, ohne Spuren zu hinterlassen.

Originaltitel: JUNEBUG

USA 2005, 106 min
Verleih: Arsenal

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Amy Adams, Embeth Davidtz, Celia Weston, Ben McKenzie, Alessandro Nivola

Regie: Phil Morrison

Kinostart: 01.03.07

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...