Originaltitel: JUPITER HOLDJA

Ungarn/D 2017, 123 min
FSK 12
Verleih: NFP

Genre: Action, Science Fiction, Drama

Darsteller: Merab Ninidze, Zsombor Jéger, György Cserhalmi, Móni Balsai

Regie: Kornél Mundruczó

Kinostart: 22.11.18

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Jupiter’s Moon

In der Schwebe

Wie reagieren wir, wenn wir uns plötzlich in einer Situation befinden, die den festen Boden unserer Realität ins Wanken bringt? Wenn wir beispielsweise auf einen Menschen treffen, der den Gesetzen der Gravitation spottet und schwerelos im Raum schwebt?

Nun, Doktor Stern, dem die besagte Szene in einem ungarischen Flüchtlingslager unter die ungläubigen Augen kommt, erstarrt keineswegs vor Ehrfurcht. Vielmehr weiß der von Geld- und Alkoholproblemen geplagte und durchaus korrupte Arzt die Situation für sich zu nutzen. Er schnappt sich den sanftäugigen Wunderknaben, einen jungen Syrer namens Aryan, der beim illegalen Grenzübertritt angeschossen wurde und seitdem diese ungewöhnliche Fähigkeit entwickelte, um fortan mit dessen Schwebekünsten ordentlich Kasse zu machen. Gibt es doch genug reiche Patienten, die bereit sind, für den Anblick eines leibhaftigen Wunders zu zahlen. Dumm nur, daß Stern sein Handy mit Aufnahmen vom schwebenden Aryan in der Eile im Lager vergaß, so daß sich alsbald die Polizei unter Führung des skrupellosen László an die Fersen des ungleichen Duos heftet. 

Der Titel JUPITER’S MOON bezieht sich auf einen der Jupitermonde namens Europa. Der Kontinent als Utopie, wo Idealismus und Gewalt, Realität und Wunder aufeinandertreffen. Das Bedeutungsfeld, das der ungarische Film- und Theaterregisseur Kornél Mundruczó in seinem eigenwilligen Genre-Mix aufspannt, ist groß. Aryan als eine postmoderne Christusfigur mit Flüchtlingshintergrund, die jedoch im Gegensatz zu ihrem über 2000 Jahre alten Vorgänger keine Botschaft für die Menschen parat hat. 

Überhaupt scheint es, als gäbe es auf der Erde keinen Platz mehr für Wunder. Zwar erstarren manche, die des schwebenden Jungen ansichtig werden, vor religiöser Ehrfurcht, doch überwiegt der Zynismus. Man will seiner um jeden Preis habhaft werden, das Wunder besitzen, es erforschen und zerstören. Daran ändert selbst Sterns allmähliche Wandlung vom Saulus zum Paulus nichts.

Inhaltlich und dramaturgisch läßt der temporeiche JUPITER’S MOON in der Summe zu viele lose Enden, dafür wartet der Film mit spektakulären Schauwerten auf. Die Schwebe-szenen sind mit schwindelerregenden Kamerafahrten gefilmt, die ganz neue Raumperspektiven offenbaren. Man darf sich diesem visuellen Taumel ruhig anvertrauen ohne ständig nach der Filmlogik zu fragen. Ist das Kino doch noch immer der Ort, an dem Wunder möglich sind.

[ Dörthe Gromes ]