D 2020, 106 min
FSK 12
Verleih: X Verleih

Genre: Komödie, Liebe, Polit

Darsteller: Moran Rosenblatt, Luise Wolfram, Rivka Michaeli, Irit Kaplan, John Carroll Lynch, Juliane Köhler

Regie: Shirel Peleg

Kinostart: 10.09.20

1 Bewertung

Kiss Me Kosher

Deutsch-jüdische Liebe ist … wenn man trotzdem lacht

Aus Sicht jüdischer Israelis hat sich Shira die „heilige Dreifaltigkeit“ angelacht: lesbisch, nicht-jüdisch und deutsch. Ihre Familie findet das eigentlich ganz lustig und ihre Liebe zu Frauen sowieso normal. Überhaupt scheint Shira, quirlige Barbesitzerin, so ziemlich alles flachgelegt zu haben, was bei drei nicht auf den Tel Aviver Bäumen war. Jetzt mit Maria, Biologin und von fast durchscheinend weißer Erscheinung, ist alles anders. Es ist ernst! Berta (ganz wunderbar: Rivka Michaeli), die Großmutter Shiras und eine mondäne kettenrauchende Holocaustüberlebende mit palästinensischem Liebhaber, wird aber nur über ihre Leiche zulassen, daß „Hitlers Brut“ in ihre Familie einmarschiert. So weit die Ausgangslage des wirklich amüsanten Culture Clashs, den Shirel Peleg in ihrem Debüt verarbeitet.

Wenn nun debattiert wird, wer genau über wen lachen darf, und wo die Grenze des politisch korrekten Humors versus künstlerischer Freiheit verläuft, ist Peleg schon mal fein raus, denn sie ist keine Deutsche, sondern stammt aus Venezuela und hat lange in Israel gelebt. Das denkt man dann schon mal kurz, wenn die Regisseurin ihre fummelnden Hauptdarstellerinnen Sätze sagen läßt wie: „Schatzi! Das reimt sich so schön auf Nazi.“ Als gewissermaßen drittes Auge installiert Peleg Shiras jüngeren Bruder, der als Filmstudent das brisante Sujet deutsch-jüdischer Lesbenliaison als nicht zu toppendes richtig erkannt hat. Überall ist seine Kamera zugegen. Und als dann auch noch Marias Eltern – aus Stuttgart, pazifistisch und linkisch deutsch – zu Besuch kommen, um ihrer Tochter moralischen Beistand bei den Hochzeitsvorbereitungen zu leisten, ist sein Film perfekt. Zum Einstand geht es ins Holocaustmuseum. Bei Marias Mutter brechen alle Dämme, so viel verdrängte Familiengeschichte hat sich da angesammelt. Und wieder mal müssen die Opfer die Täter auch noch trösten. Während Shira schnaubt: „Holocaustmuseum, also geht’s noch?“

Peleg fährt für ihre Screwball-Romanze alle Klischees und Konflikte auf, die zu finden sind. Sie verwebt sie aber so gekonnt in schlagkräftige Dialoge, daß man den beiden Hipsterfrauen so richtig gerne beim Streiten und Versöhnen, mit und ohne Omamama, zusieht. Und ob man „besetzte“ Gebiete als „befreite“ ansehen kann oder nicht, will ja eigentlich wirklich niemand mit irgendwelchen deutschen Schwiegereltern in spe diskutieren müssen.

[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...