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Kleinruppin Forever

Im Osten nichts Neues

Daran, daß der Osten im Kino noch immer gern und oft hocherfolgreich thematisiert wird, ist an sich noch nichts verwerflich zu finden. Wenn aber dem gesamtdeutschen Volk nach zahlreichen Ostalgieexzessen mitunter peinlicher Couleur deutsch-deutsches Miteinander so verklickert wird, als hätten jenseits der Adenauerschlemmerrepublik 16 Millionen Menschen über 40 Jahre einen verlängerten Ferienlagerspaß, eine Art überstrapazierten Faschingstaumel erdulden müssen, dann ist das mittlerweile nicht mal mehr ärgerlich. Eher geraten solche Geschichten schnell in den Ruch des Banalen, des Überflüssigen und nur mäßig Unterhaltsamen. Carsten Fiebelers witzökonomische Komödie liegt irgendwo dazwischen.

Er läßt die ostdeutschen Zwillingsbrüder Tim und Ronny auf recht skurrile Weise im Säuglingsalter auseinander treiben und in getrennten Welten - im güldenen Westen und im verstaubten Osten - groß werden. Bis einige Jahre später der smarte Weiberheld Tim im Sommer’ 85 mit seiner Klasse in den Osten fährt, weil Kleinruppin - so behauptet’s Fiebeler einfach mal - so eine Art Pflichtausflugsziel für norddeutsche Wessis war. Hier begegnen sich die Zwillinge mit Slapstickklamauk wieder, und flugs und schließlich werden die Rollen getauscht, Tim soll hier bleiben, Ronny will rüber. Da haut der rabiate Ossi - quasi vor der friedlichen Revolution - dem Tennisschüler einfach mal die Bierpulle übern Schädel, die die Ossis ja eh meist zur Hand hatten. Und los kann’s gehen ...

Klar zünden ein paar Lachnummern, doch meist begnügt Fiebeler sich damit, eine Art Nummernrevue zu inszenieren, in der er Reliquien und Requisiten en masse auffährt, kultisch verklärte Kulissen schiebt und sich an Wörter wie "urst" erinnert. Allerdings vergreift er sich beim Zitieren manchmal: da wird der Vor-T-Shirt-zeitliche Kurzarmpulli zu "der Nicki", da wird in der Disko zu Mel & Kim und Richard Sanderson abgehottet. Die hatten die hier gespielten Hits "Showing Out" und "Dreams" allerdings zu Beginn des Jahres 1987, in Ost wie West. Vielleicht etwas kleinkrämerisch beobachtet, aber da hier eh die Schlacht mit Devotionalien subtilerem Humor den Weg versperrt, fühlt man sich dazu aufgerufen. Beeindruckend sind - eigentlich wie immer - der unverwüstliche Michael Gwisdek und der charismatische Uwe Kockisch, und dem Film hätte sicher gut getan, Tino Mewes den Doppelpart spielen zu lassen. Der ist zwar nicht so populär wie Tobias Schenke, hat aber Talent.

D 2003, 90 min
Verleih: Senator

Genre: Komödie

Darsteller: Tobias Schenke, Tino Mewes, Michael Gwisdek, Uwe Kockisch, Michael Kind, Nils Nelessen

Regie: Carsten Fiebeler

Kinostart: 09.09.04

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.