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König des Comics

Ein verdient wohlwollendes Porträt

Am Anfang stehen zwei Ängste. Zuerst möchte man seufzen: Bitte nicht schon wieder diese dauerquatschenden Köpfe! Und dann noch die ewig gleichen, wenn es um ein irgendwie schwules Thema geht, als da wären die zwar nette, aber doch irgendwie satt getalkte Plaudertasche Ralph Morgenstern, gleich hinterher die dauerschrille Hella von Sinnen. Diese Angst versiegt aber flugs, weil Rosa von Praunheim gottlob eine andere Taktik andenkt. Da wäre aber noch Angst Nr. 2, die eigentlich immer bei Dokumentarfilmen von Rosa besteht : Wird er wieder peinliche Fragen stellen? Tut er, aber auch da kündigt sich rasch Entspannung an, denn nur zu Beginn und kurz vor Schluß taucht der Regisseur in seicht-schlüpfrigen Badeschaum, wenn er einen Freund von Comic- und Szenegröße Ralf König, um den geht es schließlich in diesem Film, befragt, ob er mit ihm im Bett war, und wenn er einen Besucher einer König-Lesung mit gequälter Frechheit ausquetscht, ob Königs Comics auch Heten schwul machen können.

Und mit der Entscheidung, sich einem bekennenden König-Fan, der extra aus der Schweiz nach Kölle fliegt, um sein Idol kennenzulernen, an die Fersen zu heften, tut sich von Praunheim auch keinen größeren Gefallen, weil dieser Tim zwar recht sympathisch, aber eben mit anhimmelnden Augen ziemlich ungelenk auf der Couch neben dem recht lockeren König plaziert ist. Man wartet eigentlich immer auf den Moment, daß er mit roten Bäckchen in tuntiges Gelächter ausbricht, die eine Hand auf seiner Stirn, die andere auf Königs Knie.

So, nun aber genug genörgelt, denn jenseits dieser Patzer entfaltet sich ein wirklich tolles, durchaus wohlwollendes und in jedem Fall facettenreiches Porträt des Knollnasenkünstlers König. Es werden Kindheitsstationen abgegrast, in der Jugend verweilt, wobei die Geschichte vom Gruppenwichsen am Sauerkrautbach amüsiert, hingegen die Begegnung mit Königs damaliger Freundin Ilona, die er liebevoll Igel nennt, regelrecht anrührt: Beide erzählen davon, wie unterschiedlich sie die Unsicherheiten wegen des drohenden ersten Mals erlebten, bis es am Tag der Aussprache aus dem niedlichen Jungen mit den halblangen Haaren platzte: Ich bin schwul. Einige Tränen später, ein paar Kilometer weiter die ersten Kontakte zur Schwulenbewegung beim legendären Frankfurter Homolulu-Festival, das Ausleben schwuler Sexualität in Dortmund und Köln, der erste Freund, die Fetischparties und die ersten künstlerischen Versuche. König ist ein offener Gesprächspartner, bekennt sich freizügig, nix ausgelassen zu haben, beantwortet schlußendlich selbst die Frage, welcher Partner von Dauer ist – die geile Sau oder der Kuschler – und geht hart ins Urteil mit sich selbst, wenn er meint, seine ersten Bücher seien schlimm gewesen: flach erzählt, schlecht gezeichnet und auf ganz miesem Papier. Sammler sehen das anders, und es gibt nicht wenige Fans der ersten Stunde, die ihm bis heute die Treue halten, seine Bücher kaufen und ihm zu Lesungen folgen.

Daß er durchaus Talent als Vorleser hat, auch das zeigt der Film, und er bleibt nahe dran an der inhaltlichen Diversität des Künstlers, der sich wandelbar und auch als politischer Mensch zeigt, unter anderem mit seinen Bibel-Comix. König nimmt es eben nicht hin, daß man über den Papst und Guido Westerwelle lachen darf, über Mohammed aber nicht. Da hat er recht! Wobei einem beim deutschen Außenminister das Lachen auch schon mal vergehen kann ...

D 2012, 80 min
Verleih: Basis

Genre: Dokumentation, Biographie, Schwul-Lesbisch

Regie: Rosa von Praunheim

Kinostart: 01.03.12

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.