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Kümmel baut

Doku über einen Ex-Linken

Es ist schon eine Weile her, seit sich Hermann Kümmel die Frage gestellt hat, ob ein richtiges Leben im falschen möglich ist. Damals in den 80ern lautete seine Antwort: nein! Denn er war Marxist und verließ folgerichtig Deutschland in Richtung Nicaragua, um dort die Revolution zu unterstützen und unter anderem ein Schulhaus zu bauen. Beim Bauen ist er geblieben, aber seine Antworten auf die wichtigen Fragen sind inzwischen andere geworden. Heute surft der angegraute Ingenieur ganz unverblümt selbst auf der Bugwelle des Kapitalismus und scheint kaum wahrzunehmen, welche Effekte diese Welle dort anrichtet, wo sie (und er mit ihr) durchrauscht.

Paul Hadwiger lernte Kümmel durch Zufall in Polen kennen, als der gerade dabei war, dort ein gigantisches Einkaufszentrum zu bauen. Der Film begleitet den 5jährigen Bauprozeß, beobachtet, wie Kümmel das Mammutprojekt im Bermuda-Dreieck zwischen Investoren, Mietern und Anwohnern navigiert und zeigt, wie die Finanzkrise den Tanker fast auf Grund laufen ließ – mitten im Rohbau, ein Dinosaurier aus Stahlträgern und Beton, dem die Puste ausgegangen ist. Regisseur Hadwiger läßt Gegner und Befürworter des Projekts zu Wort kommen und deckt so die großen und kleinen Widersprüche auf, die der globale Kapitalismus eben so mit sich bringt.

Allein: So neu ist das alles nicht, und leider gelingt es Hadwiger darüber hinaus weder, seinem Protagonisten wirklich nah zu kommen, noch eine interessante filmische Form für seine Erzählung zu finden. Er beschränkt sich einfach darauf, alle mal zu Wort kommen zu lassen. Viele dieser Gespräche finden nebenbei, zwischen Tür und Angel oder im Auto statt, und es ist kein Zufall, daß sich daraus kein wirklicher Mehrwert ergibt. Leider hat sich der Regisseur nicht die Mühe gemacht, seine Gesprächspartner in Situationen zu bringen, in der sie die eigenen Worthülsen überdenken, statt nur das zu erzählen, was ihre Rolle in diesem Konflikt ohnehin „vorsieht.“

Kurz gesagt: Es gibt keine Überraschungen in diesem Film und leider auch kaum neue Erkenntnisse zur Frage, mit welchen Nebenwirkungen nun mal zu rechnen ist, wenn Einzelne den Traum des globalen Kapitalismus träumen und dabei nicht merken wollen, daß sie damit für die anderen 99% nur einen Alptraum entfesseln.

D 2011, 95 min
Verleih: Basis

Genre: Dokumentation

Regie: Paul Hadwiger

Kinostart: 08.12.11

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.