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Life On The Border

Kinder erzählen vom Leben im Krieg – traurig, packend, stark

„Was ich von Dir möchte, ist, daß Du kommst und Dir mein Leben anschaust.“ Mit diesem Wunsch eröffnen sechs Kinder und Jugendliche die Kurzfilme, in denen sie – mit Hilfe professioneller Filmemacher – über ihr Leben in der Grenzregion zwischen Syrien, Irak und Türkei berichten. Unter Federführung des iranisch-kurdischen Regisseurs Bahman Ghobadi haben die Kinder aus den jesidischen Communities um Kobane über Monate hinweg gelernt, wie man mit Digitalkameras umgeht. Ihre selbst gedrehten Kurzfilme bilden nun einen berührenden, tieftraurigen Film, der ihre individuellen Schicksale sichtbar macht, sich aber auch zu einem Puzzle zusammenfügt, das mehr als deutlich macht, wie grausam und unmenschlich die Folgen von Krieg gerade für Kinder sind.

Die Kinder erzählen von getöteten und vermißten Familienmitgliedern, und wir sehen, was es heißt, alles zurückzulassen, um in einem unwirtlichen, kalten Zeltlager im Grenzland zu leben. Sie sprechen von Angst, Wut und Verzweiflung, aber immer wieder auch davon, wovon sie träumen, was sie sich wünschen. Es ist bemerkenswert, mit welcher Kraft es ihnen gelingt, die Balance zwischen dem Nichts und dem Leben herzustellen. Es ist nicht einfach, beim Zuschauen die gleiche Balance zu wahren. LIFE ON THE BORDER ist ein harter Film, gerade weil er uns durch die Augen seiner kindlichen Erzähler blicken läßt und konsequent darin bleibt, ihre Perspektive zu zeigen.

Wenn der 13jährige Birhat, der sich um die Großmutter und seine kleine Schwester kümmert, die nach ihrer Gefangenschaft durch den „Islamischen Staat“ schwer traumatisiert ist, davon spricht, daß er seiner Schwester helfen will, wieder gesund zu werden, bleibt offen, ob er weiß, welche Art der Verbrechen sie durch den IS erdulden mußte. Doch auch wenn Birhat nur ahnt, was ihre Seele so verwundet hat, weiß er doch, wie überlebensnotwendig es ist, daß er ihr ein Stück ihrer Angst nimmt. Also fängt er in einer unglaublich poetischen Szene die Spiegelung der am Himmel dröhnenden Flugzeuge für sie in einer leeren Konservendose ein und macht sie dann auf spielerische Weise unschädlich.

Das ist wirklich großes Kino. Ein Film wie eine Flaschenpost, die in der Hoffnung zu Wasser geht, daß jemand am anderen Ende der Welt ihre Botschaft liest. Nun ist es an uns, den Empfängern, auf diese Nachricht angemessen zu reagieren.

Originaltitel: LIFE ON THE BORDER

Irak/Syrien 2015, 67 min
FSK 6
Verleih: Eksystent

Genre: Dokumentation, Polit, Schicksal

Regie: Mahmod Ahmad, Sami Hossein, Delovan Kekha, Hazem Khodeide, Diar Omar, Zohur Saeid, Besameh Soleiman

Kinostart: 30.11.17

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.