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Lohn der Angst

Der DDR-Publizist Joachim Reichow schrieb 1983 in seinem Kompendium "Film in Frankreich", daß LOHN DER ANGST sich " ... gegen die brutale Ausbeutung und die lebensgefährdende Ausnutzung von Opfern der kapitalistischen Krisen" richte. Nun ja, das ist der Liebe zum ideologischen Wetterleuchten wegen tatsächlich etwas arg vereinfacht, geht es in Henri-Georges Clouzots brillantem und endlich in der ungekürzten Originalfassung auf DVD vorliegendem Meisterstück doch schlicht um den Überlebenskampf von Männern, die bisher eher als Bummler und Ganoven durch ihre Leben stiefelten.

Clouzot erzählt von vier ungleichen Typen, die ihre Chance nutzen, zu etwas Geld und endlich aus dem mittelamerikanischen Kaff Las Pietras zu kommen. Die Gefahr eines hochexplosiven Nitroglyzerin-Transports quer durch die unwegsamen Berge ist ihnen dabei durchaus bewußt, doch sie haben nicht viel zu verlieren. Ihr Leben ist irgendwie in der Sackgasse angekommen. Sie sind Tramps, Glücksspieler, und wie die Höllentour zeigen wird, mitunter auch mal ganz schöne Angsthasen. Am Ende wird nur der leichtsinnige und abenteuerlustige Mario den Transport überleben. Für ihn allerdings grinst die fiese Fratze des Teufels nur ein paar Kurven später ...

Clouzot inszenierte 1952 diesen packenden und beklemmend dichten Thriller als perfektes Adrenalinkino, das so geschickt mit den angespannten Nerven des Publikums jongliert, daß es ihm in der Folgezeit zahlreiche Regisseure, u.a. Steven Spielberg in DUELL, ganz einfach nachmachen mußten.

Yves Montand gelang mit der Rolle des Mario der Durchbruch zum Charaktermimen. Allerdings wollte er ihn gar nicht spielen. Er hatte schlichtweg Angst, es nicht zu packen. Die Vielschichtigkeit der Hauptfigur verunsicherte Montand, der bislang in eher seichten Filmen und vor allem als Revuesänger Erfolge feierte. Clouzot konnte ihn überzeugen, und Montand nahm sogar noch mal Unterricht. Alles lief wie am Schnürchen, bis Clouzot, der für seine recht harschen Umgangsmethoden mit Schauspielern und seine mitunter rechte Gesinnung gefürchtet war, mit leuchtenden Augen zu Montand sagte, daß man den Film in Spanien drehe. Da hatte er aber die Rechnung ohne Montands und dessen Gattin Simone Signorets Herzen gemacht, die bekanntermaßen absolut und unbestechlich links schlugen. Die Akteure hatten es sich zur Maxime gemacht, so lang Franco lebt, keinen Fuß über die Pyrenäen zu setzen. Also baute Clouzot die mittelamerikanische Szenerie schließlich in Frankreich nach.

Die ungekürzte Fassung fällt vor allem dann auf, wenn Yves Montands recht knackige Synchronstimme in den neusynchronisierten zusätzlichen Szenen dem Duktus eines verunsicherten Schnatterinchens weichen muß.

Originaltitel: LE SALAIRE DE LA PEUR

F 1952, 142 min
Verleih: Concorde HE

Genre: Drama

Darsteller: Yves Montand, Charles Vanel

Regie: Henri-Georges Clouzot

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.