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Lollipop Monster

Du solltest niemals vergessen, ich könnt’ Dich einfach fressen ...

Das Monströse der Pubertät ist ihre absolute Unberechenbarkeit. Ziska Riemann hat sich deshalb ganz in eine voyeuristische Erzählperspektive zurückgezogen, um die „echten“ Bedürfnisse ihrer zwei Hauptfiguren in absoluter Autonomie zu entwerfen. Lollipop-Ari und Emo-Oona besetzen parallele Welten, die Riemann drastisch überzeichnet. Dabei scheint der Filmemacherin Oonas Bohemien-Umfeld emotional näher zu sein, denn anders als bei Ari stellt sie Oonas Eltern nicht als Karikaturen ihrer selbst dar.

Während sich die puppenhafte Ari in einer Bonbon-Barbie-Welt mit hysterisch-überbeschützender Mutter, egozentrischem Bruder und einem Karo-Pullunder-Träger-Vater langweilt, wird Oona vielleicht sogar eine Spur zu erwachsen behandelt. Der Vater, ein Maler in der Sinnkrise, bezieht seine Inspiration aus der Beziehung zu seiner Tochter, steht mit ihr im kreativen Austausch. Genau dieses Sich-selbst-Bewußtsein, das Oona ausstrahlt, zieht Ari magisch an. Und auch die Abgründe, die sich hinter der abweisenden Fassade des „schwarzen“ Mädchens verbergen. Der Selbstmord von Oonas Vater läßt Bunt auf Schwarz prallen, Riemann inszeniert diese Vermischung mit grellen Videoclips, sinnlichen Super-8-Sequenzen und düsteren Animationseinlagen – die Innenwelt der Mädchen als assoziatives Clipboard.

Besonders präsent „Tier“, die Lieblingsband der beiden, deren peitschende Musik sie auf ihrer „Jagd“ nach Freiheit und Erkenntnis begleitet: „Wir fühlen alles, uns machst du nichts vor, wir sind Trieb, Lust und Instinkt.“ Die Instinkte lassen Ari zu einem Lolita-Katzenwesen werden, die Sex als Waffe einsetzt, während Oona sich selbst Gewalt antut und sich ritzt. Riemann reizt diese Borderline aus, zeigt den Abgrund vom Freidrehen sexueller Energie, dem ungebändigten Selbsthaß, der fehlenden Annäherung von Eltern und Kindern, die gerade zu Frauen werden.

Diese Radikalität ist die Stärke von Ziska Riemanns Regiedebüt, das sich jeglicher „Moral“ verwehrt. Riemann spielt mit visuellen Klischees, wenn sie die schwarze, schöne, gazellenartige Frau und wasserstoffblonde Ari in pornographischen Posen inszeniert, die bleiche, schwarzgewandetet Oona und das tropfende Blut im Waschbecken zeigt, oder Ari, die lasziv den Lolli zwischen ihren prallen Lippen spielen läßt. Die Monster in den Köpfen tanzen zaunlos auf den Straßen. Sex führt zu Mord – einem ganz trashigen natürlich.

D 2011, 96 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Drama, Erwachsenwerden, Schräg

Darsteller: Sarah Horváth, Jella Haase, Nicolette Krebitz, Thomas Wodianka

Regie: Ziska Riemann

Kinostart: 25.08.11

[ Susanne Schulz ]