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London Boulevard

Stilsichere und konsequente Gangsterballade

Als Mitchell nach mehreren Jahren aus dem Knast kommt, ist er sich ganz sicher, mit dem Verbrecherdasein abgeschlossen zu haben. Kein Geld mehr mit krummen Dingern. Und auch wenn Mitchell noch nicht so ganz genau weiß, wo er mit seinem Leben hin will, ist eins doch sicher: nie wieder verschlossene Zellentüren, nie wieder Gefangener sein. Und Mitchell scheint Glück zu haben, eröffnet sich doch die Möglichkeit, für den psychisch schwer angeschlagenen Filmstar Charlotte als Bodyguard zu arbeiten.

Der erste Schritt ins legale Leben – und zum Herzen der filigranen Schönheit, die schwer unter der Aufdringlichkeit der sie belagernden Paparazzi leidet. Ein Problem, das Mitchell durchaus auf seine Art zu handhaben weiß. So könnte alles seinen Gang gehen, wäre da nicht der ziemlich gute Ruf, den Mitchell in der Londoner Unterwelt immer noch hat. Loyal, intelligent und nur dann hart und rücksichtslos, wenn es die Situation erfordert. Solche Männer sind selten. Das weiß auch Gangsterboß Gant, der Mitchell gern als Geldeintreiber rekrutieren würde. Und Gant, ein kultivierter Sadist, so scharfsinnig wie brutal, ist kein Mann, der ein Nein akzeptiert. Auch das von Mitchell nicht.

Cool und melancholisch. Abgeklärt und melodramatisch. Gewalttätig und lakonisch. Das sind die Ingredienzen, die gutes Film-noir-Kino würzig machen. Solches für Erwachsene und nicht für Teenager. Nur, um es erwähnt zu haben. LONDON BOULEVARD zumindest ist so ein würziges Stück Kino. Das Regiedebüt des bisherigen Drehbuchautors William Monohan erfindet – die Inhaltsangabe läßt es ahnen – dabei nichts wirklich neu. Verhandelt werden auch hier wieder mal Liebe und Loyalität, die Schatten der Vergangenheit und die bösen Fallstricke des Schicksals. Das aber auf eine sehr stimmungsvolle und (gerade mit Blick auf den Amerikaner Monohan erwähnenswert) sehr britische Genre-art und -weise. Mit Lokalkolorit und mit Typen, deren oft eigentümliche Exzentrik (grandios und beängstigend: Ray Winstone als Gant) nie aufgesetzt wirkt.

Schick dabei die Kameraarbeit, elegant die stilistische Geradlinigkeit der Inszenierung, die sich ruhige Blicke auf Nebenstränge und Nebenfiguren gönnt. Überhaupt wird hier nicht gehetzt. Warum auch? Fühlt man sich doch sauwohl bei diesem Film, der es sich selbstredend nicht nehmen läßt, seine Geschichte angemessen konsequent und unerbittlich zum Ende zu bringen.

Originaltitel: LONDON BOULEVARD

GB 2010, 103 min
FSK 16
Verleih: Wild Bunch

Genre: Thriller, Action, Drama

Darsteller: Colin Farrell, Keira Knightley, Ray Winstone, David Thewlis

Regie: William Monohan

Kinostart: 01.12.11

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.