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Mademoiselle

Vom Zauber der kurzen Begegnung

Philippe Liorets Ehrgeiz liegt darin, daß man ihm glaubt, was er erzählt. Darin mag er sich nicht wesentlich unterscheiden von anderen Filmemachern. MADEMOISELLE, Liorets neuester Film, aber findet - und darin liegt die ihm eigene Charakteristik - seine Glaubwürdigkeit in der Leichtigkeit. Auszeichnend ist die Kunst des Regisseurs, dabei nicht ins Banale abzugleiten und zu erzählen, wovon er fasziniert ist - eine ganz einfache Geschichte:

Claire ist verheiratet, hat zwei Kinder und einen Job als Pharma-Vertreterin. Er, Pierre, ist vielleicht ein Schauspieler und doch ist er eigentlich keiner, da er ungern seinen Text wiederholt und deshalb improvisiert. In einer kleinen Truppe. Das zufällige Aufeinandertreffen der Beiden ist anfänglich leise zu nennen und soll gerade mal 24 Stunden dauern. Claire ist keine unglückliche, vom Schicksal gebeutelte, ausgehungerte oder vernachlässigte Frau. Aber auch kein Vamp. Und Pierre, obschon sich in seiner Rolle als Künstler (noch besser: als Improvisator) zumindest die ewige Sinnsuche angedeutet findet, hat ebenso einen eher stillen ersten Auftritt. Um so besser! Der Zuschauer muß sich nicht beeilen. Das Tempo, welches Claire und Pierre vorgeben, während sie sich aufeinander zu bewegen, gewährt dem Betrachter ein angenehmes Schritthalten und garantiert sowohl die Möglichkeit sich einzulassen als auch eingelassen zu werden.

Liorets MADEMOISELLE ist eine subtile Mischung aus Leichtigkeit und Ernst, Erfahrungen und Gefühlen. Die Geschichte hinterläßt dabei den Eindruck, als handele es sich um eine einzige Szene - oder um einen Ausschnitt. Was Claire und Pierre widerfährt, wird Romanze genannt und ist doch mehr als nur eine Episode im Leben. So wie es das Kleine im Großen gibt und Großes im Kleinen, so sind diese 24 gemeinsamen Stunden ein Teil und dennoch ein Ganzes - ein paar Stunden, die vorübergehen ohne wirklich zu enden.

Sandrine Bonnaire und Jacques Gamblin setzen diese faszinierende Begegnung zwischen zwei Menschen meisterhaft um. Ihr Spiel, gerade in den Momenten des Schweigens und der Blicke, läßt das Wissen um diesen Zauber und sein Geheimnis erahnen.

Originaltitel: MADEMOISELLE

F 2000, 85 min
Verleih: Alamode

Genre: Komödie, Liebe

Darsteller: Sandrine Bonnaire, Jacques Gamblin

Regie: Philippe Lioret

Kinostart: 28.03.02

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.