Originaltitel: PINGWIN NASCHEWO WREMENI

/Rußland/D 2014, 87 min
FSK 12
Verleih: X Verleih

Genre: Roadmovie, Tragikomödie

Darsteller: Lucie Heinze, Aleksei Guskov, Yury Kolokolnikov, Anton Pampushny

Regie: Stefan Krohmer

Kinostart: 21.05.15

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Mädchen im Eis

Pinguine für ein besseres Rußland

Rußland und Deutschland machen gerade mal wieder schwierige Zeiten miteinander durch. Da ist es ein kleiner Lichtblick, daß auf der cineastischen Ebene die Kooperation beider Länder trotzdem funktioniert, wie der Film MÄDCHEN IM EIS von Stefan Krohmer zeigt. Schon Personal und Handlung sind ungewöhnlich: Ein verliebtes deutsches Mädchen namens Winja folgt seinem russischen Geliebten Andrej ohne dessen Wissen in den hohen Norden Rußlands in ein Nest namens Teriberka. Dort trifft sie nicht nur auf Andrej, seine Ehefrau Sveta und deren gemeinsames Kind, sondern auch auf den geheimnisvollen Starych. Der distinguierte ältere Herr mit der etwas unheimlichen Aura hat den Videokünstler Artur beauftragt, in der Eiswüste von Teriberka ein pathetisches Propagandavideo zur Hebung der Moral seiner Landsleute zu drehen. In diesem Video stehen Pinguine als Symbol für eine bessere Welt. Allerdings sind sie schon auf dem Transport zu ihrem Bestimmungsort elendig krepiert ...

 Der Film erzählt raffiniert verschachtelt und schlägt ein paar überraschende Haken, was vom Zuschauer einige Konzentration verlangt, die es aufzubringen lohnt. MÄDCHEN IM EIS kommt im Gewand einer skurrilen Liebes- und Kriminalgeschichte daher, entpuppt sich jedoch nach und nach als beißende Groteske, welche die Sehnsucht nach einer Erlöserfigur persifliert. Die zentrale Person ist dabei nicht das titelgebende Mädchen, sondern der zwiespältige Starych. Einer, der sein Geld in der Öl- und Gasindustrie gemacht hat und dafür über Leichen ging, sich nun aber moralisch geläutert gibt. Doch hält er sich auch weiterhin an seine eigenen Regeln. Starych verkörpert den Typus des skrupellosen Übervaters: Bist Du mit mir, bist Du mein gutes Kind, bist Du aber gegen mich, töte ich Dich, weil ich mir das Recht dazu nehme. Jedoch gibt es keinen wahrhaft integren Gegenpol zu Starych, weisen doch alle Figuren erhebliche moralische Mängel auf.

 Auch visuell punktet der Film. Die Eislandschaft im Norden wird in beeindruckenden Totalen eingefangen. Diese naturalistischen Aufnahmen kontrastieren mit Zwischenschnitten aus dem Propagandavideo, dem eine sehr artifizielle Bildsprache zu eigen ist. Auf die abgegriffenen Rußlandbilder verwahrloster Städte, Omas mit Kopftuch und alkoholisierter Männer verzichtet das auf russisch und deutsch gedrehte MÄDCHEN IM EIS dagegen komplett. Bleibt zu wünschen, daß er in beiden Ländern sein Publikum finden möge.

[ Dörthe Gromes ]