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Man muß mich nicht lieben

Und er bewegt sich doch!

Das Trockene, das Staubige, der umwerfende Charme, der manchmal aus emotionalen Wüsten sprudelt, kündigt sich schon im Titel an. Selten genug wird das eingelöst, und noch seltener mit einer so speziellen Komik, der die Melancholie verwandter ist, als der angeheiterte Witz. Als trockener und alltagsstaubiger Romantiker stellt sich hier Stéphane Brizét vor, von dem man bisher noch nichts gesehen haben muß, handelt es sich doch um sein Spielfilmdebüt. Viel wichtiger aber ist, daß er sich überzeugend eines der schwierigsten Sujets annimmt: eines romantischen und dennoch ruppigen Liebesfilms ohne liebenswerten Helden. Vorerst zumindest.

Der um die fünfzigjährige Gerichtsvollzieher Jean-Claude ist nicht einmal im eigenen Leben ein Star: lange geschieden, ein verknautschter Schweiger mit verhangenem Blick, der dem botanisch interessierten Sohn verständnislos gegenübersteht. Seine größte Herausforderung sind Treppen. Endlose Treppen, die zu weinenden Mietschuldnern führen, zum alten Vater im Heim, der ihn mit Grantigkeit und Beleidigungen bis aufs Blut reizt. Am beschwerlichsten wird jedoch der Aufstieg zu irgendeiner Gefühlsregung. Die Tangomusik, die Jean-Claude durchs offene Kanzleifenster einsaugt, kündigt sie an. Der aufgesuchte Arzt empfiehlt sie aus Gesundheitsgründen: eine Lektion in Sachen Beweglichkeit.

Nicht irgendein gelenkiger Tangokurs, sondern die verschämte Tuchfühlung mit der unverschämt jungen, unverschämt verlobten Françoise weckt hier das schlafende Herz. Geredet wird wenig, geguckt wird zu Boden, und doch knistert es. Das Geräusch ist ganz ganz leise, denn der Franzose Brizét übt sich in einem Understatement, einer permanenten Untertreibung in blaßgrauen Bildern und dürren Worten, die man eigentlich "britisch" nennen würde. In all dem Grau und der störrischen Verschwiegenheit ist viel Platz für komische Details: für Schokolade und ihren Kakaogehalt, für verschwundene Tennispokale und ein Parfüm namens "Passion intense", das dem vorsichtigen Galan dann doch zu aufdringlich klingt. Und aufdringlich will er, will dieser Film ums Verrecken nicht sein. Ob man ihn dafür gleich lieben muß? Ja, warum eigentlich nicht?!

Originaltitel: JE NE SUIS PAS LÀ POUR ÊTRE AIMÉ

F 2005, 93 min
FSK 0
Verleih: Kool

Genre: Tragikomödie, Liebe

Darsteller: Patrick Chesnais, Anne Consigny, Georges Wilson, Lionel Abelanski

Stab:
Regie: Stéphane Brizé
Drehbuch: Stéphane Brizé

Kinostart: 27.07.06

[ Sylvia Görke ]