Originaltitel: MANDY

USA 2018, 121 min
FSK 18
Verleih: Drop-Out Cinema

Genre: Thriller, Psycho

Darsteller: Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Linus Roache

Regie: Panos Cosmatos

Kinostart: 01.11.18

1 Bewertung

Mandy

Horrormärchen mit Stil und Kettensäge

Man müßte mit „Es war einmal ... “ beginnen. So etwa: Es war einmal in einem dunklen tiefen Wald, vor langer Zeit. Damals, 1983 nämlich, als man noch zur heimischen Abendunterhaltung eine VHS-Kassette in den Videoplayer schob.

Aber darauf kommen wir gleich noch zurück. Bleiben wir erst mal im Wald, irgendwo in den amerikanischen Weiten anno 1983. In friedlicher Zurückgezogenheit leben hier der Holzfäller Red Miller und seine schöne, sanftmütige Frau. Mandy ist ihr Name, und Mandy gehört zu jenen, die ob ihres Aussehens und ihrer Wesensart in weniger aufgeklärten Zeiten wohl als Hexe in Verruf und Gefahr geraten wären. Doch stop! Was heißt in weniger aufgeklärten Zeiten? Mittelalter ist ja immer irgendwie irgendwo, und als eines Tages eine Sektengruppe ziemlich am Rad drehender Jesus-Freaks unter Führung ihres Gurus Jeremiah in die Abgeschiedenheit einfällt, ist es vorbei mit dem Frieden. Denn Mandy weckt in Jeremiah Begehrlichkeiten, und als diese ins Leere laufen, auch den – im auch wahrsten Sinne – flammenden Zorn des Psychopaten. Das Exempel, das er und sein Trupp bald an Mandy statuieren, ist dann auch von inquisitorisch grausamer Gründlichkeit. Allerdings: Die Rache, die Red nehmen wird, ist es nicht minder. Und selbst die finstersten Mächte der Finsternis werden ihn nicht aufhalten.

Es war einmal ... ein Schauspieler namens Nicolas Cage. Am Anfang ein durchaus brauchbarer Typ für exaltiertes Spiel in gern auch exaltierten Kinostücken, verkam der, über den Umweg als Blockbuster-Actionstar, zum König grimassierenden Overactings im Reich des B-Films. Und liest man nun obigen ja auch nicht übermäßig originellen Plot und malt sich dazu Cage noch in der Rolle des Red Miller aus, könnte man mit gutem Grund annehmen, daß MANDY nur ein weiterer eher entbehrlicher Film aus eben jenem Reich ist.

Was ein Irrtum wäre. Nach der reizvollen Fingerübung BEYOND THE BLACK RAINBOW ist MANDY der zweite Film des Regisseurs Panos Cosmatos. Der nun ist wiederum der Sohn von George Pan Cosmatos, auf dessen Konto in den 80ern Werke wie RAMBO II oder DIE CITY-COBRA gingen. Was nebensächlich, aber doch auch nicht ganz unwesentlich ist, schaut man sich jetzt MANDY an.

Unwesentlich nämlich ist es allein schon deshalb nicht, weil dieser Film den Spirit jener oft auch wilden Phantasmagorien in sich trägt, die zumal in den frühen 80ern und da vor allem im Action- und Horror-Genre blutige Urstände feierten. Und das, um darauf zurückzukommen, gerade auch im „VHS- und Heimkinosektor.“ Die diesbezüglichen Referenzen, die Cosmatos in MANDY einbaut, sind für den Genre-Fan fraglos ein Zitate-Fest und für den Kinokritiker eine Steilvorlage, um mit Kennerschaft zu punkten.

Alles nicht unwesentlich und doch auch nebensächlich. Denn das besondere an MANDY ist etwas anderes. Daß sich nämlich Cosmatos nicht mit einer, wenn auch fraglos gelungenen, Hommage zufrieden gab, sondern eine (seine!) ganz eigene Horrormärchen-Welt erschaffen hat.

MANDY ist ein psychedelischer Trip, beängstigend berauschend. Geradezu musikalisch in der Erzählstruktur, in Bild und Ton oft wie traumwandelnd. Seltsam hypnotisch und sehr kunstfertig. Kraß und krude freilich auch. Um es frei nach Tschechow zu sagen: Wo die Kettensäge im ersten Akt noch Bäume fällt, hat sie im vierten andere Arbeiten zu erledigen. Und das mit einem Nicolas Cage am Drücker, der hier spielt wie in seinen Anfangszeiten: als exaltierter Typ in einem exaltierten Film. Als Besessener im Werk eines Kinobesessenen.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.