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Marie-Line

Porträt einer Wandlung

Als Leiterin einer Putzkolonne, die fast ausschließlich aus illegalen Einwanderinnen besteht, führt Marie-Line ein strenges Regiment. Nacht für Nacht zieht das Grüppchen durch einen riesigen Supermarkt. Die Arbeit der Frauen wird von Marie-Line mißtrauisch beäugt und bekrittelt, denn auch in diesem Jahr setzt sie alles daran, den begehrten Preis der "Putzstaffel des Jahres" zu gewinnen. Im Job unnachgiebig und energisch, ist Marie-Lines Privatleben von Tristesse geprägt. Sie schmeißt stoisch den Haushalt, versorgt ihren Mann, der Mitglied der Front Nationale ist, und kümmert sich um das Baby ihrer Tochter, die immer noch zu Hause wohnt. Einzig das Engagement im Fanclub für den verstorbenen Schlagerstar Joe Dassin verhilft ihr außerhalb des Supermarktes zu Lebendigkeit.

Glaubhaft und mit Hingabe verkörpert Muriel Robin in ihrer ersten Film-Hauptrolle die verbitterte Chefin der Putzkolonne, deren Hartherzigkeit sich langsam in Mitgefühl wandelt. Daß sich dieses auch in zunehmendem Engagement für die Frauen ausdrückt, wird durch verschiedene Ereignisse beschleunigt. Als eine ihrer Kolleginnen abgeschoben wird, nimmt Marie-Line deren Kinder in ihre Obhut, und während der Geburt eines Babys im Aufzug des Supermarktes ist sie diejenige, die Mutter und Kind das Leben rettet. Auch die Emanzipation von ihrem Chef, der die Frauen sexuell nötigt, und die Flucht aus ihrer Ehe sollen Marie-Line am Ende ihrer Wandlung gelingen.

Mit einem bewegenden und wahrhaftigen Film kehrt der Algerier Mehdi Charef nach mehrjähriger Pause wieder ins Kino zurück. Seiner einfühlsamen Regie ist es zu danken, daß auch die Nebenfiguren eine präzise Charakterisierung erfahren. Alain Levent hinter der Kamera ist den Figuren nahe, ohne daß sein Blick voyeuristisch wird. Auch gelingt es ihm, den zahlreichen Szenen im Supermarkt (gleichsam ein Mikrokosmos), Dynamik zu verleihen und somit der Atmosphäre eines Kammerspiels entgegenzuwirken.

Die Ansammlung von Aspekten wie illegale Einwanderer, Ausländerfeindlichkeit und Familienkrisen lassen ein sozialkritisches Engagement vermuten. Dennoch ist MARIE-LINE zuerst ein Film, der von der Wandlung einer Frau erzählt.

Originaltitel: MARIE-LINE

F 2000, 100 min
Verleih: Alamode

Genre: Drama

Darsteller: Muriel Robin, Fejria Deliba, Valérie Stroh

Regie: Mehdi Charef

Kinostart: 04.04.02

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.