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Marlene

Ärgerliche Annäherung an eine Legende

Oh Sepp, oh Sepp! Klar: Du bist in Deutschland als Mann für’s Halbgeschichtliche, als Zauberer großer Historienschmonzetten wie COMEDIAN HARMONISTS nie ein Kerl der leisen Zwischentöne gewesen, aber doch immer mit einem untrügbaren Gespür für tränenselige Kinostoffe gesegnet. Doch jetzt hat es dich erwischt. Diesmal hat es dir die Beine weggezogen auf dem schlüpfrigen Parkett der Ikonie. Viel hast Du Dir vorgenommen, viel zu viel. Dabei hast Du mit Katja Flint als Darstellerin des größten deutschen Filmstars nicht die schlechteste Wahl getroffen.

Sie wird bei Dir durch die Jahrzehnte zwischen 1929 und 1975 gehetzt, ihre zahlreichen Affären gestreift, wobei die lesbischen nahezu übergangen werden. Du kannst Dich nicht entscheiden ob Du Geschichte nacherzählen möchtest, ob Du menscheln oder politisieren willst.

Es scheint, daß Dich Dramaturgie und Schauspielerführung nicht sonderlich interessierten. So reduziert sich Dein mißglücktes Künstlerinnenporträt auf reines Ausstattungskino. Eine rauschende Robe löst die andere ab, Marlene flitzt durch Hollywood, um dann ganz schnell durch germanisches Bergland zu wandern. Fast inzestuös erscheint in mehr oder weniger prägnanten Rollen die gesamte deutsche Spielerzunft. Einzig die Flint spielt akzeptabel. Herbert Knaup ist katastrophal peinlich, Heino Ferch agiert in bester Holzlattenmanier und warum Du, lieber Sepp, immer Deine Kinder unterbringen mußt, versteht man nicht mehr. Richtig talentiert sind die nämlich auch nicht. Und Götz Otto als Gary Cooper? Also nö!

Vor lauter Kulissenversessenheit passieren unzählige Patzer: mal berlinert die Flint, mal nicht, dann wieder fahren Autos mit ostdeutschen (?) Kennzeichen durch die Gegend und am Ende sieht die Dietrich jünger aus als ihre Tochter. Das könnte übersehen werden, wenn man mit knappem Budget arbeiten muß. Das brauchst Du als Förderliebling aber nicht. Es ist hart, aber hier wurden knapp 20 Millionen Mark in den Sand gesetzt und die Chance vertan, ein dem Kult und der (Kino-) Wahrheit entsprechendes Bildnis der Dietrich zu inszenieren.

D 2000, 128 min
Verleih: Senator

Genre: Biographie, Schicksal

Darsteller: Katja Flint, Herbert Knaup, Ben Becker, Christiane Paul, Heino Ferch

Regie: Joseph Vilsmaier

Kinostart: 09.03.00

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.