Originaltitel: MARLEY

GB/USA 2012, 144 min
FSK 6
Verleih: StudioCanal

Genre: Biographie, Dokumentation, Musik

Regie: Kevin Macdonald

Kinostart: 17.05.12

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Marley

Zwischen Mythos und Mensch

Bob Marley ist ein Mythos – sein Name gilt vielen als Synonym für Reggae-Musik, den Genuß von Marihuana und den Rastafari-Kult. Doch obwohl fast jeder wenigstens ein paar Zeilen seiner Lieder mitsingen kann, blieb der Mensch Marley jahrzehntelang merkwürdig unterbelichtet. Oder wußten Sie, daß der Familienvater Marley so ehrgeizig war, daß er sogar beim Wettrennen mit seinen eigenen Kindern immer selbst gewinnen wollte? Oder daß der Frauenheld Marley sowohl mit der Tochter des späteren Diktators Robert Mugabe als auch mit einer amtierenden Miss World liiert war? Oder daß er seine letzten Lebensmonate in dem Dorf Rottach-Egern in Bayern verbrachte, wo er seine Krebserkrankung mit Hilfe alternativer Medizin besiegen wollte?

Bob Marley war ein Grenzgänger, er stand oft und gerne zwischen allen Fronten. Als Sohn eines weißen Kolonialherren und einer schwarzen Mutter geboren, wurde er in keiner der beiden Welten ganz akzeptiert und lernte früh, sich durchzubeißen. Marley war ein Mensch, der Grenzen nicht akzeptierte. Er schonte dabei weder sich noch seine Umgebung und wurde trotzdem (oder gerade darum) schon zu Lebzeiten frenetisch verehrt. Dabei war er als Mensch, als Vater und Ehemann alles andere perfekt. Als er 1981 mit 36 Jahren stirbt, hat er mindestens elf Kinder und unzählige Nr.1-Hits hervorgebracht. Die Beerdigung auf Jamaica gerät zu einem Staatsakt, währenddessen die verfeindeten politischen Lager des bürgerkriegsgeschüttelten Landes für einen kurzen Moment innehalten, und die Waffen schweigen.

Kevin Macdonald ist schon der richtige Mann, um solch ein Leben zu dokumentieren. Er ist ein erfahrener, OSCAR-prämierter Filmemacher, dem es in seinem YouTube-Projekt LIFE IN A DAY gelang, über 4.000 Stunden Fremdmaterial zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen. Andererseits ist Mcdonald vielleicht doch nicht der perfekte Regisseur für diesen Film. Denn trotz oder gerade wegen der professionellen Umsetzung und der irre langen Liste an Gesprächspartnern (von Marleys erster Lehrerin bis zum Cousin dritten Grades) wird man das Gefühl nicht los, daß eine weniger konventionelle filmische Form diesem Grenzgänger vielleicht angemessener gewesen wäre. Hier will jemand Geschichte schreiben.

Leider fehlt es dieser Geschichte merklich am Off-Beat, also an der ungewöhnlichen Betonung und dem packenden Rhythmus, der Reggae und Ska so besonders macht.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.