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Match Point

Galliger Thriller über das Schwein im Manne

Was wurde nach Cannes nicht alles geschrieben über diesen neuen Woody Allen, der so gar nicht Woody Allen sei, vielmehr Hitchcock und so weiter ...

Alles Unsinn, denn natürlich ist dies ein waschechter Woody Allen, nur eben einer, der einige neue Facetten aufzeigt, der neuerliche Beweise für die unverbrauchte Virtuosität dieses wunderbaren amerikanischen Filmemachers liefert. Zum Beispiel den, daß er auch im Thrillerfach besteht. Denn was wie ein etwas betulicher Gesellschaftsroman (ohne pejorative Semantik, bitte!) beginnt, entpuppt sich als biestiges Thrillerwerk über Charakterschweine, Oberflächlichkeit und den Zynismus, der dem Begriff Glück als Naturell an den Hacken klebt.

Allen führt - eben doch wie immer - knapp, knackig und gekonnt die Figuren ein. Hier steht Chris Wilton im Mittelpunkt, von sozial niederer Herkunft, der Ex-Profi, der sich nun als Tennislehrer bei reichen Leuten verdingt, sich an Chloe, die Tochter des Hauses, hält, größere, vor allem sexuelle Begehrlichkeiten aber schließlich bei Nola entwickelt. Die aber ist verbandelt mit Tom, dem Sohn des Hauses. Chris läßt Tennisschläger Tennisschläger sein, steigt im Familienunternehmen auf und beginnt schließlich eine Affäre mit Nola, der ebenfalls nicht ganz so adlig vorbestimmten Amerikanerin. Eine Affäre, die bitter enden muß, da der Mensch an sich und Männer im Besonderen nun mal Schweine sind ...

Wie ein Korkenzieher dreht Allen unerbittlich an der plumpen Geilheit und der wankelmütigen Moral des Dostojewski lesenden Tennis-Cracks, der sich in seiner einfachen Herkunft schon immer dadurch enttarnt, wie ungeschickt und oft er die Ärmel seines teuer erkauften Kaschmirpullis hochstriffelt. Allen holt gehörig aus, um jeder Glückseligkeit, die eh schon zu lange Gegenstand empirischer Betrachtungen ist, einen ordentlichen Tritt in den Hintern zu verpassen. Er entlarvt den Hochadel in seiner unglaublichen Fähigkeit, Nutzloses hoch zu interpretieren und Lebensbestimmendes ins Unterirdische zu banalisieren. Ein schönes, sehr viel zeigendes Bild etwa, wenn die Hupfdole Chloe in einer Galerie kunstbeflissen Gemälde schaut, im 10-Zentimeter-Abstand: "Ganz hübsch!" Nur um sofort ohne Umwege mit ihrer Freundin über Adoption und Schwangerschaft zu parlieren.

Fabelhaft, mit welcher Verve der Meister an seinem Chris die ganze Bande demontiert, die in einem Atemzug über die Qualität von Orangensaft und dieses "ach so entsetzliche" Erdbeben im fernen China parlieren kann. Allen - und auch damit ist doch alles beim alten - ist wieder mal ein brillanter Beobachter, ein wissender Geschichtenschreiber, der von Beginn an zwischen den Zeilen aufzeigt, daß es nur ganz fies ausgehen kann zwischen Chris und Nola. Denn: sie sind einfach füreinander gemacht.

Originaltitel: MATCH POINT

USA 2005, 123 min
Verleih: Prokino

Genre: Thriller, Drama, Liebe

Darsteller: Jonathan Rhys Meyers, Scarlett Johansson, Emily Mortimer, Brian Cox

Stab:
Regie: Woody Allen
Drehbuch: Woody Allen

Kinostart: 29.12.05

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.