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Max Minsky und ich

Erwachsenwerden zwischen Hebräischkurs und Basketball

Nein, diese kleine Nelly Edelmeister, die so ein bißchen aussieht wie Anke Engelke in kurz, läuft wohl nicht unter der Kategorie "Normales 13jähriges Mädchen", oder was man sich eben darunter vorzustellen hat. Sie liest viel, interessiert sich für fremde Planeten und geht nicht nur einmal am Tag den großen philosophischen Fragen des Woher? und Wohin? nach. Freunde hat sie natürlich keine, zu wenig Zeit dafür, denn schließlich muß sie den ganzen Tag - wie sie es nennt - Wissen aufnehmen. Eine schräge Type, sicherlich, aber auch ein Noch-Kind mit Wünschen und Schwärmereien.

Zum Beispiel für den semmelblonden Prinz Edouard, ein luxemburgischer Adelssproß, dem sie wohl begegnen könnte, wenn sie es nur in die Basketballmannschaft ihrer Schule schaffen würde. Und weil wir im Kino sitzen, begegnet Nelly dem richtigen Mann zur richtigen Zeit. Nun denn, Mann ist vielleicht ein bißchen hochgegriffen, aber Max Minsky ist zumindest ein paar Jahre älter, schon nach dem Stimmbruch, außerdem ein wahrlich schlechter Schüler, dafür ein begnadeter Knabe am Ball. Deal? Natürlich, sie macht seine Hausaufgaben, er bringt ihr Schritte und Würfe bei. Alles in Butter, könnte man meinen, wäre da nicht Nellys jüdische Mutter, die aus gutem Grund die Bat Mizwa ihrer Tochter gefährdet sieht. Mama explodiert, als Nelly endgültig aus dem Hebräischunterricht fliegt, weil sie den durch das Training zu oft schwänzte und nun auch noch mit erotischer Schundliteratur erwischt wurde ...

Dies ist eine dieser wie fürs Kino gemachten "Lebe Deinen Traum"-Geschichten, allerdings ohne pathetische Orchestermusik und depperte Heile-Welt-Kulisse, dafür mit authentischen Figuren und mit feinem Witz. Erzählt wird aus der kindlichen Perspektive, die noch alle Stationen - manchmal etwas brav - abschreitet: Streß in der Schule, Ärger mit den Oldies, Pubertät, erste Liebe ... Es gelingt der Regiedebütantin Anna Justice, Nelly nicht als nervige Streberin zu charakterisieren, viel mehr als eine wirklich geprüfte Persönlichkeit - zwischen Ärger in der Klasse und Streß in der Familie, zwischen "normalem" Leben und jüdischer Zugehörigkeit. Da wird sehr liebevoll und behutsam davon erzählt, daß man Kindern durch elterlichen Egoismus auch in Fragensglauben einfach oft zu viel zumutet.

Ein gutes Händchen bewies die Filmemacherin auch in der Besetzung. Während die Darsteller der Erwachsenen - wie so oft in Kinder- und Jugendfilmen - immer ein bißchen dicke auftragen, bestehen die Jungmimen ganz exzellent. Zoe Moore als Nelly berührt durch ihre unschuldige Hartnäckigkeit und Emil Reinke durch das Auf-den-Punkt-Gepose, wie Jungs in dem Alter eben so sind. Selbstredend hat er auch die richtigen Sätze, auch wenn er seine aufkommenden Gefühle zu Nelly in blumige Worte packt: "Du bist ganz okay, Edelmeister!"

D 2007, 94 min
Verleih: X Verleih

Genre: Erwachsenwerden, Literaturverfilmung, Kinderfilm

Darsteller: Zoe Moore, Emil Reinke, Jan Josef Liefers, Monica Bleibtreu

Regie: Anna Justice

Kinostart: 06.09.07

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.