2 Bewertungen

Meine Freiheit, Deine Freiheit

Was kommt nach dem Knast?

Eine Strafvollzugsanstalt in Berlin. Und zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die aber eins gemeinsam haben: eine Kindheit, die so schrecklich war, daß die beiden tief in sich drinnen ein Gefängnis für die Erinnerungen gebaut haben. An diesen Mauern des Schweigens haben sie schwer zu tragen. Noch schwerer jedoch an den Folgen, die das alles hat.

Der Film beginnt mit einer Zugreise. Ein Bild, das der Definition von Freiheit bis heute noch am nahesten kommt. Gefängnis ist mit Sicherheit das Gegenteil davon. Der Film aber macht uns bewußt, daß die Befreiung von äußeren Zwängen nicht unbedingt auch Freiheit nach sich zieht. Vor allem dann nicht, wenn tief drinnen in den Menschen etwas eingesperrt ist.

Der Film begleitet Kübra, die 22jährige Deutsche mit kurdischen Wurzeln, die, seit sie 14 ist, öfter im Knast war als zu Hause, und Salema, eine 41jährige Äthiopierin, die seit ihrer Kindheit nichts anderes kennengelernt hat als Gewalt, Drogen und das Leben auf der Straße. Beide stehen kurz vor ihrer Entlassung. Ohne zu werten, dafür gnadenlos ehrlich zeigt der Film die brutalen Realitäten des Lebens hinter Gittern und in Freiheit. Wie gut, mal wieder einen Film zu sehen, der sich traut, nach Ursachen zu fragen. Der versucht herauszufinden, warum Menschen so handeln, wie sie handeln. In den letzten Jahren ist es in Mode gekommen, Filmen große Qualität zu bescheinigen, weil sie keine Fragen stellen oder keine Antworten geben wollen. Diana Näcke versucht in ihrem Debüt Antworten zu finden und mußte dafür viel Geduld aufbringen. Es gibt da auch noch den Gefängnisleiter im Film. Dieser Erzählstrang versucht die Menschlichkeit eines Systems zu wahren, das ansonsten völlig erkaltet und verhärtet ist.

Anläßlich der Kinopremiere von GOTTESZELL, dem Meisterwerk zu diesem Thema von Helga Reidemeister, hat der damalige Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer in einem Interview gesagt, „ ... daß noch vor wenigen Jahren an Universitäten die grundsätzliche Debatte über den Sinn von Strafe geführt werden mußte. Heute hingegen würden Studenten diese Frage nicht mehr stellen, wie auch außerhalb der Universitäten niemand sie stellt.“ Es gelte das Motto „ ... eher zurückschlagen als nachfragen, eher strafen als heilen oder gar verzeihen. Nicht Härte muß heute erklärt und gerechtfertigt werden, sondern Nachgiebigkeit.“ MEINE FREIHEIT, DEINE FREIHEIT bringt diese Fragen radikal wieder vor.

D 2011, 85 min
FSK 12
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Diana Näcke
Drehbuch: Diana Näcke
Kamera: Diana Näcke

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...