Originaltitel: MICMACS À TIRE-LARIGOT

F 2009, 104 min
FSK 12
Verleih: Kinowelt

Genre: Komödie, Schräg

Darsteller: Dany Boon, André Dussollier, Dominique Pinon, Jean-Pierre Marielle, Yolande Moreau, Julie Ferrier

Stab:
Regie: Jean-Pierre Jeunet
Drehbuch: Jean-Pierre Jeunet

Kinostart: 22.07.10

30 Bewertungen

Micmacs – Uns gehört Paris!

Amélie, Mathilde, Louison und die anderen

Spätestens seit Jean-Pierre Jeunet für eine gewisse Amélie Poulain aus lauter unscheinbaren Dingen ein verwunschenes Lebens- und Liebesabenteuer auf die Leinwand träumte, haben wir ein Wort für seine Filmwelten: fabelhaft. Er ist einer der letzten großen Märchenerzähler, einer der stilistisch beschlagensten allemal. Und weil er seine skurrilen Einfälle fast noch mehr liebt als sein Publikum, variiert Jeunet das einmal Erdachte immerfort aufs Neue. So wird man im Helden dieser David-gegen-Goliath-Geschichte schnell den kleinen Bruder von Amélie, den Cousin der mädchenhaften Soldatenwitwe Mathilde oder einen Neffen des knautschgesichtigen Louison aus DELICATESSEN erkennen – ein waschechter Nachkomme der verzweigten Jeunet-Familie also.

Bei einer Straßenschießerei bohrt sich eine verirrte Kugel in Bazils Kopf – nach dem frühen Tod des Vaters bereits die zweite fatale Begegnung mit den Segnungen der Waffenindustrie. Er beschließt, den Verantwortlichen endlich das Handwerk zu legen. Die Verbündeten für seinen Feldzug findet er im Bauch von Paris. Unter Müll und Schrott hat sich hier ein mit allen Zauber- und Zirkustricks begabtes Häuflein unverdrossener Outlaws verschanzt, regiert von einer resoluten belgischen Köchin. Talente aller Sparten vereinigen sich – der biegsame Körper von Mademoiselle Kautschuk, die Rechenkünste von Calculette, der Erfindergeist von Canaille, die rhetorische Meisterschaft des Herrn Remington – zu einer schlagkräftigen Streitmacht gegen das Böse im edlen Zwirn.

Wohl kaum ein Regisseur verfügt wie Jeunet über die Gabe, seine Phantasie noch an der geringsten Kleinigkeit zu entzünden. Während er daraus für Amélie eine Schnitzeljagd aus Fund- und Erinnerungsstücken machte, schickt er Bazil und seine Wundertruppe in Anlehnung an TOPKAPI auf eine gewiefte, detailversessen bebilderte Mission Impossible, in der jede rostige Schraube, jede abseitige Begabung zum tragenden Element avanciert.

Einmal mehr kann man sich dabei an die Ursprünge des Kintopps zurückversetzt fühlen, in die gemütliche Nachbarschaft zu Jahrmarkt und Flohzirkus, bärtiger Frau und dressierten Mäusen. Aber auch das war eine fabelhafte Welt, die sich in ihrem Einfallsreichtum selbst genügte ...

[ Sylvia Görke ]