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Mitfahrer

Das Leben fährt Autobahn

Was bietet sich besser als Metapher für die Flüchtigkeit des Lebens an, als das Reisen? Leben als Transit, flüchtige Begegnungen, Ziele, Ankunft, Abschied und Mißverständnisse - all das geht in Nicolai Albrechts Kinodebüt MITFAHRER hervorragend auf. Er schickt drei Autos von Köln nach Berlin, an Bord Passagiere verschiedener Couleur.

Peter ist Vertreter für Bademoden und erhofft sich von Mitfahrern Unterhaltung, was seine Begleiter zu spüren bekommen. Die Studentin Carolin muß sich bald gegen Peters Avancen wehren und der Asylbewerber Hilal gegen peinliche Gespräche. Katharina fährt zum Bewerbungsgespräch einer Schauspielschule und hat den abenteuerlustigen Teenie Fabian zum Beifahrer. Loubelle ist mit ihrer Tochter unterwegs und nimmt aus Prinzip keine Fremden mit. Doch eine Ausnahme später sitzt Silvester in ihrem Auto, Hehler, Lebenskünstler und konsequent pleite. Sie alle bewegen sich an einem brütend heißen Sommertag Berlin entgegen. Für den Rückweg fallen die Würfel neu, andere Konstellationen, kurze Wiedersehen und Überraschungen.

Als habe das Leben selbst Absurditäten und Momente des menschlichen Aufeinanderprallens beigesteuert, destillierte das Autoren-Trio Khyana el Bitar, Dagmar Gabler und Robert Löhrt Anekdoten, die man so ähnlich vielleicht schon erlebt oder zumindest gehört hat. Ungewöhnlich ist dabei natürlich die Zweiteilung in Hin- und Rückfahrt, macht aber durchweg Sinn. Regisseur Nicolai Albrecht vollbringt dann das Kunststück, all die Themen des Lebens in die Innenräume der drei Autos einzubringen und den Figuren dennoch genügend Luft zum Atmen zu lassen. Sie wollen doch einfach nur irgendwo ankommen. Von den erstklassigen Darstellern vermag vor allem Ulrich Matthes Eindruck zu schinden. Er wurde für seine Bühnenarbeit von der Fachzeitschrift "Theater heute" zum Schauspieler des Jahres 2005 gekürt und liefert auch hier eine beunruhigend starke Vorstellung.

MITFAHRER gelingt die Gratwanderung, unterhaltsam und hintersinnig zugleich zu sein, genau beobachtet und zum Teil auch schmerzhaft real. "Es geht mir auf den Keks, das Leben unterwegs" sang einst Deutschlands Lieblingsbarde Grönemeyer. Dies mag für den Reisenden selbst manchmal gelten. Wenn man den Weg als MITFAHRER im Kino antritt, warten jedoch ungewöhnliche 90 Minuten.

D 2004, 90 min
Verleih: Filmwelt

Genre: Episodenfilm, Drama, Poesie

Darsteller: Anna Brüggemann, Ulrich Matthes, Ivan Shvedoff, Jana Thies

Regie: Nicolai Albrecht

Kinostart: 12.01.06

[ Roman Klink ]