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Mondscheinkinder

Berührende Reise zwischen zwei Welten

Der seltene Hautkrebs des kleinen Paul hält die Familie in einer ständig abgedunkelten Wohnung gefangen. Weil die Mutter in Schichten arbeitet, ist es zumeist Pauls ältere Schwester Lisa, die den Jungen liebevoll betreut. Das Mädchen, selbst schon ein Teenager, erfindet für ihn die Fortsetzungsgeschichte eines tapferen Raumfahrers, der in den endlosen Weiten eines nachtblauen Alls etliche Abenteuer zu bestehen hat. Aber auch für Lisa bricht schließlich eine Zeit an, in der sie die Rückkehr in die lichtlosen heimischen vier Wände hinauszögert. Die erste, gerade aufkeimende Liebe zu einem Schulkameraden und die ständige Fürsorge für den kleinen Bruder bringen sie in einen emotionalen Konflikt. Und Paul, der sich von der Schwester plötzlich im Stich gelassen fühlt, unternimmt immer öfter heimliche Versuche, ans Licht zu gelangen ...

"Kleiner Film, große Emotionen" könnte die Unterzeile zu Manuelas Stackes Debüt lauten, doch mit einer solchen Verknappung wäre diesem Unrecht getan. Daß der Kinobesuch hier schon thematisch ein Tränenreich verspricht, sollte den Zuschauer nicht davon abhalten, sich dieser Tour de Force der Gefühle zu stellen. MONDSCHEINKINDER ist ein behutsam erzähltes, sensibles Melodram, gleichwohl jedes Mittel darin recht erscheint, die Emotionen zu steigern. Der zentrale Konflikt der Geschichte genügt hier nicht. Vielmehr wird das Unglück einer unheilbaren Krankheit von weiteren Problemen begleitet, wie denen einer allein erziehenden Mutter, der es permanent an Geld mangelt.

Die Regisseurin scheut auch stilistisch nicht die völlige Vereinnahmung des Publikums. So schillern die Tage voller Farben, um die Sehnsucht des kleinen Nachtmenschen nach dem Licht stärker herauszuarbeiten. Die Animationssequenzen, während derer Lisa ihr Weltraummärchen erzählt, betonen zudem wie kontrastreich die Welten sind, zwischen denen das Mädchen ständig wechseln muß, ist es doch Mondschein- und Sonnenkind zugleich. Was dem Zuschauer jedes Entkommen verwehrt, ist die Harmonie des Films. Die Vorlage der Autorin Katrin Milhahn liefert eine gelungene Verschränkung der Handlungsebenen, starke Charaktere und vor allem den beiden Hauptdarstellern stimmige Dialoge.

Und das Geschwisterpaar, von Leonie Krahl und Lucas Calmus großartig gespielt, läßt bei dieser trefflichen Beobachtung in Kinobildern wahrlich ein Licht aufscheinen. Auch inmitten von Nacht.

D 2006, 87 min
Verleih: Piffl

Genre: Drama

Darsteller: Leonie Krahl, Lucas Calmus, Renate Krößner

Regie: Manuela Stacke

Kinostart: 14.12.06

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.