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Monsieur Lazhar

Das Leben, das echte

Simon ist dran mit Milchdienst. Schluß mit den Neckereien auf dem verschneiten Schulhof! Besser fix die Tetra Paks aus dem Kühlschrank geholt und ab damit in den noch leeren Klassenraum, sonst gibt es Ärger. Sonst? Ärger gibt es auch so. Schock. Entsetzen. Simon sieht durch die schmale Glasscheibe der Zimmertür und läßt alles fallen, was er in zittrigen Händen hält. Seine Lehrerin hat sich erhängt.

Bazhir Lazhar tritt vor die Klasse und wirkt entspannt und selbstbewußt. Der gebürtige Algerier – Mitte 50, noch kein Staatsbürger Kanadas – überfordert die Grundschüler zwar, indem er sie über Balzac einen Aufsatz schreiben läßt, verärgert sie, weil er den Halbkreis der Tische aufhebt, doch besteht Hoffnung, daß es der Neue schaffen kann. Das mit dem Trauma der Kinder. Er weiß, daß die frische Farbe fürs Zimmer nicht reichen wird und auch nicht, daß eine Psychologin die Kinder regelmäßig besucht. Aber Monsieur Lazhar kann nicht fortführen, was seine Vorgängerin mit den Mädchen und Jungen praktizierte. Zudem muß er lernen, daß er sich mit einem Urteil über die Tat zurückhalten sollte, im Kollegium, vor allem aber vor den Schülern. Bazhir Lazhar macht seine Sache gut, weil er eigene Methoden hat, Vertrauen aufzubauen, Wissen zu vermitteln, Lebenserfahrungen. Fast wie ein richtiger Lehrer …

Das hierzulande noch immer unterbelichtete frankokanadische Kino kommt mit einem zu Herzen und an die Nieren gehenden Paukenschlag ins Bewußtsein. Regisseur Philippe Falardeau beweist sich als großartiger Arrangeur sehr verschiedener Töne, und kein einziger falscher ist darunter. Er zieht den Zuschauer regelrecht in seine warmherzige Geschichte hinein, die sich bis zum Schluß immer wieder neu mit Akzenten auflädt, die, liest man sie in Reihe aufgelistet, wohl eher von einer hoffnungslos überfrachteten Handlung künden: Terror in Algerien, Aggression an Schulen, Notlüge und Einsamkeit, Asylkampf und Humanismus in echt.

Fellag überzeugt in der Hauptrolle, speziell aber die Kinderdarsteller werden mit ihrer nachhaltigen, „wissenden“ Art lange im Gedächtnis bleiben. MONSIEUR LAZHAR war in diesem Jahr für den Auslands-OSCAR nominiert. Beim wachen Publikum ist er besser aufgehoben.

Originaltitel: MONSIEUR LAZHAR

Kanada 2011, 94 min
FSK 0
Verleih: Arsenal

Genre: Drama

Darsteller: Fellag, Sophie Nélisse, Èmilien Néron, Danielle Proix

Regie: Philippe Falardeau

Kinostart: 12.04.12

[ Andreas Körner ]