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Música Cubana

Sommerlüftchen zum Herbstanfang

Nachdem Wim Wenders das kubanische Phänomen des BUENA VISTA SOCIAL CLUB im Handstreich zum weltweiten Mythos gemacht hatte, stapelten sich auf dem Tisch des deutschen Regisseurs schon bald ein Haufen Demo-Bänder junger kubanischer Musiker, die auch dahin wollten, wohin Wunder-Wenders die Methusaleme um Compay Segundo geführt hatte. Also fühlte Wenders sich moralisch verpflichtet, ein ehrgeiziges Projekt des deutschen Musikverlegers Detlef Engelhard zu unterstützen, der sich genau das vornahm: MÚSICA CUBANA sollte endlich die Enkel der alten Herren an die Mikrofone lassen.

Die schwach fiktionalisierte Rahmenhandlung - ein cleverer Taxifahrer überredet den 85jährigen Buena Vista-Veteranen Pio Leiva eine Combo aus den besten jungen Musikern Havannas zu bilden und auf Tournee zu gehen - ist der Vorwand für eine feurig klingende, kurzweilige Tingelei durch weite Konzerthallen, kleine Clubs, Studios, Musikschulen und die Buena Vista Neighbourhood, wo alle spontan und farbenfreudig abfeiern, und die zukünftigen internationalen Stars versichern, daß sie nie ihre Wurzeln vergessen werden. Ein bißchen malerischen Sozialismus gibt’s auch: Auf den Mauern steht "Revolución", man hört Radio "Progresso", Pio Leiva singt ein Lied über Autos ohne Benzin und auf kubanischen Plattenhüllen gibt es wie in der DDR hinten umfangreiche Texte, die vermutlich dabei helfen sollen, die musikalische Leistung ideologisch einzuordnen.

Vor zwei, drei Monaten hätte MÚSICA CUBANA eine leichte Sommerbrise in die Kinos gebracht, eine Vorfreude dem miesen Wetter zum Trotz. Jetzt, zum Ausklang des Sommers kommt der Film etwas zu spät mit seiner unverbindlichen Leichtigkeit und seiner fröhlichen Melange aus Rap, Son, Rumba, Rhythm & Blues und Latino-Pop. Charismatische talentierte junge Musiker machen schöne Musik, alle lachen, haben Spaß und sind nett zueinander. Das reicht jetzt aber irgendwie nicht mehr, um den Sommer festzuhalten. Hier ist alles zu sehr auf optimistischen Neubeginn gebügelt. Man kann sich nicht sehnen in diesem Film.

Dazu hätte es die Abendgold-Farben aus Wenders’ Film gebraucht, mehr von den alten Tanzsälen, in deren staubige Luft die Sonne Schneisen schlägt, mehr Musikerschweiß, mehr Altersweisheit, mehr echte Verschmitztheit und Schlitzohrigkeit, mehr Zweifel, mehr Balladen, mehr Melancholie.

D 2004, 90 min
Verleih: Solo Film

Genre: Dokumentation, Musik

Darsteller: Pio Leiva, Mario Mayito Rivera, El Nene, Osdalgia, Chiki Chaka Girls

Regie: German Kral

Kinostart: 30.09.04

[ Christian Seichter ]