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Nacht vor Augen

Die Leiden des Rocky Kabul

Feixende, braungebrannte Jungs in Tarnanzügen, die es so richtig krachen lassen in Kabul – das sind die Bilder, die David zunächst auf seiner Heimkehrerparty zum Besten gibt. Er ist aus Afghanistan in den Schwarzwald zurückgekommen. Als er auf Nachfrage, ob „ ...sie denn da unten nur gefeiert hätten“, seinen einbeinigen Kumpel, mit dem er manchmal Fußball spielte, und verstümmelte Leichen am Straßenrand zeigt, kippt die Partystimmung. Es ist wohl zum einen die abgeklärte Art, wie David seine Erinnerungsfotos kommentiert, zum anderen die allgemeine Verdrängung, die zu dieser Reaktion führt.

Und genau hier setzt das aufmerksam erzählte Regiedebüt von Brigitte Maria Bertele an. Berührend, an manchen Stellen sogar so, daß es fast weh tut hinzusehen, führt sie vor, wie der Friedenseinsatz den jungen Mann verändern konnte, so daß er nicht mehr hineinfindet in die heile Welt, die seine Freundin Kirsten versucht zu bauen: neue Wohnung, Rattanbett, Sonnenblumen auf dem Duschvorhang. Er wird wieder zum Bettnässer, hat schwere Alpträume. Jede Nacht sitzt ein kleiner afghanischer Junge auf seiner Bettkante. Doch so wirklich will keiner merken, daß mit David etwas nicht stimmt, lieber feiern seine Freunde ihn als Helden, als „Rocky Kabul“ und seine Mutter lobt, daß der Einsatz ihn „so erwachsen“ gemacht habe. Nur seinem Halbbruder Benni offenbart sich David ohne Maske und lebt an dem Achtjährigen sein Traumata aus. Hart soll dieser werden, ein richtiger Mann und keine Memme, die sich von den anderen rumschubsen läßt.

Die Filmemacherin zeigt verstörend genau, wie David Benni als seinen Spiegel mißbraucht und seine eigene Kindheit an ihm „abarbeitet“. Sie konzentriert sich ganz auf die Psychologie dieser Zweierbeziehung, und nur am Rande werden die Drohungen seitens der Bundeswehr erwähnt, David solle seine wahre Geschichte ja für sich behalten, sonst würde man schon Wege finden, ihn als unzurechnungsfähig darzustellen. Doch auch ohne die große Politik zu bemühen, werden in Berteles Film die Mechanismen offensichtlich, die das System Armee mit ihren Hierarchien und männlich dominierten Ritualen im Innersten zusammenhält. Und sie führt uns allen vor, daß wir es sind, die gerne an die Planbarkeit von Friedensmissionen der Bundeswehr glauben wollen und dann den Fernseher einfach abschalten und feiern gehen.

D 2008, 91 min
Verleih: Bfilm

Genre: Drama

Darsteller: Hanno Koffler, Petra Schmidt-Schaller, Magarita Broich

Regie: Brigitte Maria Bertele

Kinostart: 23.04.09

[ Susanne Schulz ]