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Nightsession

Lachend durch die Nacht

Ohne echtes Drehbuch, Dramaturgie und Geld, dafür mit Akteuren, die als „Laiendarsteller“ zu bezeichnen eine Ehre wäre – nicht wenige deutsche Filme sind so entstanden. Im hiesigen Fall ist das allerdings tatsächlich echtes Konzept, denn Regisseur/Autor/Produzent Philipp Dettmer wollte eine positiv erinnerte Nacht erneut verbringen. Damals war’s, in München. Was passierte? Eigentlich nix. Trotzdem hat Dettmer jene Stunden nie vergessen und läßt jetzt mockumentarisch vier Skater die Stadt unsicher machen.

Sie rollen hin, sie rollen her. Im Park, Geländer hinab, auf der Straße. Zwischendurch wechselt das Quartett auch mal die Fortbewegungsart, dann geht’s zu Fuß oder per U-Bahn weiter. Die Kamera bleibt immer dicht dran, will durch hohen Bewegungsdrang Authentizität vermitteln, das echte Leben und dazugehörige Gefühle einfangen. Dazu gehören selbstverständlich ungezwungene Gespräche, in denen das Jungvolk unter anderem verwundert feststellt, daß während der Wiesn Laisser-faire herrscht, obwohl ansonsten jeder als „der asozialste Wichser abgestempelt wird“, der „irgendwie mit ’nem Hangover in die Arbeit kommt.“ Weiterhin gibt’s beispielsweise Informationen zu Gefahren des Mezzo Mix (viel Kohlensäure, heftiges Aufstoßen), und ohne Zweifel muß die Frage geklärt sein, ob das Essen ein „chilliger Latte“ krönen darf oder nicht, weil die Kombination Nahrung plus Kaffee dazu führt, „hart scheißen“ zu müssen. Problematischerweise leidet das akustische Verständnis dieser Gedankenspiele heftig unter permanentem Reinlachen, sogar der per se eigentlich nun eher wenig zu brüllendem Gelächter anstiftende Vorschlag des Dönerkaufs erfährt feiernde Reaktionen wie ein von langer Hand vorbereiteter und schließlich tatsächlich extrem zündender Supergag. Na ja, Männer sind halt naturgemäß ziemlich leicht zu erheitern.

Um schlußendlich noch ein Fazit anzuhängen: Der Ansatz stimmt, das streitet hier keiner ernsthaft ab, und wirklich würde es sicher auch einigen Spaß machen, wenn man selbst mal wieder mit Kumpels einfach ohne Zwänge durch die Nacht triebe. Wieso es indes andererseits einen nachvollziehbaren Mehrwert haben sollte, zahlender, stiller, bewegungsloser Beobachter solcher Freizeitgestaltung zu sein und angestrengt dem erwähnten Dummfug zu lauschen, erschließt sich aber bei aller Liebe zum unabhängigen Kino dann doch nicht richtig.

D 2015, 82 min
FSK 6
Verleih: Deutsche Exotik

Genre: Dokumentation, Mockumentary

Darsteller: Thomas Eckert, Sergio Grosu, Pacel Khachab, Jonas Rosenbauer

Stab:
Regie: Philipp Dettmer
Drehbuch: Philipp Dettmer
Produktion: Philipp Dettmer

Kinostart: 14.04.16

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...