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Passione!

Zu zappelig vor lauter Liebe

Muß man den nicht einfach mögen, John Turturro? Schon allein dafür, daß er im Gegensatz zu den meisten seiner Hollywoodkollegen ein Gesicht hat mit Ecken, Kanten, Furchen, Schalk, Tragik, mithin Ausdruck. Und sich dazu so eigentümlich bewegt, markant und schlaksig und tänzerisch zugleich. Und außerdem hat er, der Schauspieler, bisher drei Regiearbeiten geliefert, die allesamt hierzulande wieder mal sträflich ignoriert wurden. Während da etwa ILLUMINATA, seine schön exaltierte filmische Liebeserklärung ans Theater, es 1998 immerhin in heimische Kinos brachte, schaffte es ROMANCE & CIAGARETTES (2005) nicht mal auf eine deutsche DVD. Was allein schon mit Blick auf die phänomenale Besetzung dieses Films von ziemlicher Unbegreiflichkeit ist, die sich jetzt, in Anbetracht von PASSIONE!, Turturros vierter Regiearbeit, zu einer Art unendlicher Unbegreiflichkeit steigert.

PASSIONE! ist eine Liebeserklärung Turturros an Neapel, die Stadt seiner Vorfahren. Eine Liebeserklärung an Straßen, Gassen, Bars. An die Menschen dort und an die Lieder, die sie singen, die Musik, die sie spielen. So weit, so gut. Nur daß PASSIONE! dabei weniger eben Musikszene und Tradition der süditalienischen Stadt porträtiert oder auch feiert, sondern Turturro zunehmend seine ureigene Begeisterung über selbige. Das ermüdet auf Dauer, auch ob formaler Unausgeglichenheiten. Von Kunst über kunstvoll hin zu gekünstelt, von Authentizität bis Kitsch reicht da die Palette, von der sich Turturro bedient, um die Leinwand mit Szenen, Interviews, Liedern und Choreographien zu bekleckern wie ein schwärmerisches Kind. Also ohne Maß. Auch das ist wieder grundsympathisch, und man kann sich das sicher ohne große Probleme irgendwie auch mentaltechnisch mit Adjektiven wie italienisch-leidenschaftlich versüßen. Und ja, zweifellos gibt es in PASSIONE! tolle, gar zwei, drei magische Momente, bildliche Assoziationen im Melodiefluß der gebotenen Musik etwa, oder eine ausgesprochen interessante Exkursion in die Geschichte Neapels unter dem Blickpunkt der musikalischen Prägung der Stadt durch ihre römischen, arabischen oder amerikanischen Besatzer.

Nur bleibt das alles Stückwerk, fügt sich selbst zu keiner Melodie, keinem Rhythmus, keiner Komposition eben. Womit nach PASSIONE! einem diese und jene schöne Melodie im Kopf haftet – aber auch ein wenig das Gefühl unendlicher Unbegreiflichkeit.

Originaltitel: PASSIONE

USA/I 2010, 96 min
Verleih: MFA

Genre: Dokumentation, Musik

Regie: John Turturro

Kinostart: 19.05.11

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.