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Private Revolutions

Tradiertes und Verkrustetes

Die meisten können sich noch an die Fernsehbilder erinnern, als der Arabische Frühling wie ein gewaltiges politisches Donnerwetter einschlug. Vor vier Jahren hatten sich unzufriedene Bürger in mehreren nordafrikanischen Staaten gegen machthungrige Obrigkeiten zur Wehr gesetzt. Alles ging rasend schnell damals. Es wurde demonstriert, geschrien und geschossen. Die Energie war gewaltig. Kurz hintereinander stürzten Ben Ali in Tunesien, Libyens exzentrischer Tyrann Gaddafi und Ägyptens Husni Mubarak. Letzterer war 30 Jahre im Amt, hatte Staatsgelder dafür verwendet, eigene Häuser schöner zu machen, sein Volk unterdrückt. Die Leute wollten sich das einfach nicht mehr bieten lassen.

Aber wer sind eigentlich diese Menschen, die jahrelang unter dem Scheffel sich selbst bereichernder Despoten standen? Die Filmemacherin Alexandra Schneider hat sich zum Zeitpunkt der Revolution in die Masse gezoomt und vier ägyptische Frauen begleitet, die sich den vorherrschenden Verhältnissen entgegenstellen. Mit einer politischen Überzeugungstäterin besucht sie den Tahir-Platz, wo die junge Mutter in Begleitung ihrer Söhne Flyer verteilt. Auch filmt sie eine streng gläubige und studierte Mutter, die für die Muslimbrüder Stimmen sammelt. Die anderen Frauen sind kinder- und kopftuchlos, schreiben Bücher über die Freiheit der Frau, betreiben Radiostationen oder kämpfen für bessere Lebensbedingungen in der ägyptischen Provinz.

So unterschiedlich die Lebenssituationen der Frauen und politischen Standpunkte auch sind, so ähnlich sind sie sich in ihrem Willen, die Dinge verändern zu wollen. Schön ist, daß die Filmemacherin keinen Standpunkt bezieht und politisch urteilt. Denn während eine dafür kämpft, daß sich Frauen leichter scheiden lassen können, legt die andere extra Lippenstift auf und stellt das Essen auf den Tisch, wenn ihr Mann von der Arbeit kommt.

PRIVATE REVOLUTIONS ist ein femi-nistischer Film, aber auch einer über verkrustete Gesellschaftsbilder und tradierte Wertvorstellungen. Mitreißend ist die Energie, mit der die Menschen für eine bessere Zukunft kämpfen, und umso tragischer erscheint die Erkenntnis vier Jahre nach der Revolution, daß viele Versprechen des Arabischen Frühlings bis heute nicht eingelöst wurden.

Österreich 2014, 98 min
Verleih: Fugu

Genre: Dokumentation

Regie: Alexandra Schneider

Kinostart: 10.09.15

[ Claudia Euen ]