Originaltitel: RACHEL GETTING MARRIED

USA 2008, 116 min
Verleih: Sony

Genre: Drama, Schicksal, Familiensaga

Darsteller: Anne Hathaway, Rosemarie DeWitt, Debra Winger, Mather Zickel, Bill Irwin, Anna Deavere Smith

Regie: Jonathan Demme

Kinostart: 02.04.09

16 Bewertungen

Rachels Hochzeit

Die Kunst der Mimesis

So fehlleitend der Titel in mancher Hinsicht ist, so passend ist er doch. Denn Rachel ist zwar nicht die Hauptfigur von Jonathan Demmes eindringlichem Familienporträt, wohl aber versucht sie, sich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit ihrer Lieben zu rücken. Und zu Recht, schließlich ist es ihre Hochzeit, ihr großer Tag. Doch wie auch den Fokus des Zuschauers lenkt ihre Schwester Kym die Aufmerksamkeit ihrer Familie auf sich. Kym, gespielt von der aus gutem Grund OSCAR-nominierten Anne Hathaway, ist ein destruktives, egozentrisches Wrack und kommt zur Trauung ihrer Schwester direkt aus der Entzugsklinik.

Die Beziehung der Schwestern steht im Zentrum des Films, was aber großartigerweise keinesfalls bedeutet, daß andere tragende Beziehungen an den Rand gedrängt wären. In die Handkamera von Declan Quinn scheint ein Stimmungssensor eingebaut, denn RACHELS HOCHZEIT schafft es, ein Spektrum an Charakteren so authentisch zu vereinen und lebendig werden zu lassen, daß man sich tatsächlich als Teil dieser Hochzeitsgesellschaft fühlt. Die Illusion des authentischen Moments geht so weit, daß man mitunter glaubt, sich von der geltungsbedürftigen Kym jederzeit abwenden zu können, um sich einem anderen interessanten Menschen, derer es so viele auf dieser beneidenswert bunten Zusammenkunft gibt, zuzuwenden. Und nicht selten scheint die Kamera zu gehorchen.

Den fürs Casting dieses Ensembles Verantwortlichen ist nur zu gratulieren. Nach wenigen Minuten meint man, diese oder jene Figur zu kennen, zu vestehen, kann sie mögen oder meiden wollen. Die Stars, wie eben Hathaway oder die großartige Debra Winger als Kyms Mutter, reißen einen nicht aus dem glaubwürdigen Kosmos heraus, sondern tragen gekonnt zum Sog des Ganzen bei. Und obwohl man überall zugleich sein möchte, und die Hauptfigur Kym keineswegs eine Identifikationsfigur ist, wird immer wieder auf natürliche Weise zu ihr und ihrem Trauma zurückgefunden.

Wenn Kym sich am Schluß von ihrer Schwester verabschiedet und zurück zur Entzugsklinik fährt, hat man an etwas teilgenommen, das sich wie eine echte Hochzeitsfeier angefühlt hat. Nur daß man im „wahren Leben“ den Familienwunden selten so nahe kommt, und am Ende – statt ein paar Euro für ein Kinoticket – meist für ein zum Verstauben verdammtes Geschenk einen Batzen Geld ausgegeben hat.

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...