Originaltitel: RAY & LIZ

GB 2018, 108 min
FSK 12
Verleih: REM

Genre: Drama

Darsteller: Ella Smith, Justin Salinger, Patrick Romer, Deirdre Kelly

Regie: Richard Billingham

Kinostart: 09.05.19

2 Bewertungen

Ray & Liz

Vollendet prekär

Dieses aufregende Stück Kino steht für Eigen-art. Es hat Vorgeschichten, die Lebensgeschichten sind. RAY & LIZ adaptiert sie nicht, der Film versucht sich an der Rekonstruktion. Typischer Fall von Katharsis, weil Regisseur Richard Billingham aus Birmingham die eigenen Erinnerungen dafür benutzt? Das greift zu kurz.

Einige der Vorgeschichten wurden bislang nur von Fotografien erzählt. Billingham, heute 47, wollte in der Mitte seiner 20er-Lebensjahre eigentlich Malerei studieren und sie als Vorlagen benutzen, doch die Aufnahmen erregten für sich genommen Aufsehen, brachten den Engländer in das, was man Kunstszene nennt. Zu sehen war ab und an mal ein Vögelchen im Grünen, vor allem aber Richards eigene Familie im Dreck. Von Mum & Dad war nie die Rede, immer nur von Ray & Liz, was Distanz nicht nur ahnen läßt, sondern genau diese auch meint. Ray – besoffen zumeist, stürzend, lallend. Liz – aus der Form gegangen, tätowiert, paffend. Fotografien eines Universums, und das stank in den Midlands vor sich hin, in der Vorort-Kate von Billinghams Kindheit und dem Hochhausblock, wo er zum Jugendlichen geriet.

Nach einem Dokfilm namens FISHTANK zum selben Sujet hat sich Billingham nun mit mutigen Schauspielern, Erwachsenen und Kindern, an die Fiktion gewagt, die keine ist. Stets, so sagen Beteiligte, rechnete er das, was beim Dreh vor der Kamera passierte, zum Erlebten hoch. Auf drei Zeitebenen erzählt Billingham von den Aggregatzuständen eines Abstiegs, von Armut, Lethargie und Ritual, vom eigenen beziehungslosen Aufwachsen. Von schleichendem Mißbrauch, Fliegen, selbstgebrautem Bier, einem schmalgeistigen Onkel, der zum Opfer auch von Fäusten wird, von zu vielen Tieren auf zu engem Raum und Wärme für die Kinder – bei Fremden.

Geschont wird keiner, geschönt wird nichts. RAY & LIZ riecht. Was ihn auf fast hinterhältige Weise schön macht, ist die stringente Komposition seiner bis in winzige Details präzisen Bilder. Das alles ist auf fatale Weise poetisch, vollendet prekär und von einem Sog, der mit einem sich darauf einlassenden Zuschauer etwas anstellen muß. Voyeurismus ist es nicht, eher die Dringlichkeit eines beobachteten Lebens, das man so nicht kennen dürfte und das man zu leben nie und nimmer plant. Was ja keinesfalls meint, daß es nicht millionenfach gelebt werden würde. Weltumspannend.

[ Andreas Körner ]