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Renoir

Der Vater, der Sohn und die Muse

Der Name Renoir hat einen doppelten Klang in diesem Künstlerfilm, in dem die Sonne Südfrankreichs frohe Farbtupfer auf die Leinwand wirft, während fernab der lieblichen Szenerie der finstere Erste Weltkrieg tobt. Sommer 1915, auf seinem Landsitz arbeitet der alternde Maler Pierre-Auguste Renoir gegen seine Arthritis und die Trauer um seine Frau an, umgeben von einem kleinen weiblichen Hofstaat, der ihn bekocht, umsorgt und zur Not auch im Stuhl durch den Fluß trägt, wenn das die Motivsuche verlangt. Nur eine spurt nicht: Andrée. Sie ist das neue Modell, eigensinnig, selbstbewußt, modern. Aber eben jene Widerspenstigkeit haucht dem Maler und Bewunderer der Schönheit der Jugend neuen Lebensgeist ein.

Dieselbe junge Frau bringt aber auch den Sohn, den späteren Filmemacher Jean Renoir, wieder auf die Beine. An Krücken kommt er von der Front zur Heilung ins väterliche Haus. Mit ihm der lange Schatten des Krieges, den der alte Mann lieber ignorieren will. Das wiederum erfüllt den unbeholfenen und orientierungslosen jungen Renoir mit Zorn. Den Mut, sich von seinem übermächtigen Vater loszueisen, bekommt er aber erst (natürlich) durch seine Liebe zu Andrée.

Klug, sinnlich und mit Gespür für die Feinheit des Pinselstrichs verbindet der Film all diese Motive – künstlerische, historische, moralische und amouröse – mit leichter Hand, wobei er aus der zeitlichen Begrenzung der Handlung Kapital schlägt. Keine komplette Künstler-Lebensgeschichte mit den obligatorischen Aufs und Abs also; nur ein Moment wird abgebildet – eine Art Schwebezustand, in dem drei Menschen sich gegenseitig auf den Weg bringen.

Der Staffelstab wird weitergereicht, passiert dabei aber die Brücke ins 20. Jahrhundert. Während die Spätphase des Malers Renoir nachvollziehbar vor den Augen des Zuschauers zur Entfaltung kommt, kündigt sich bereits der humanistische Blick an, den der Filmemacher Renoir später in Filmen wie DIE GROSSE ILLUSION unter anderem auf den Ersten Weltkrieg werfen wird. Gewürdigt wird mit dem Film aber auch die Frau hinter den Kulissen, mit wahrem Namen Catherine Hessling. Historisch gesehen blieb sie letztendlich doch hinter den großen Renoirs auf der Strecke. Gespielt wird sie übrigens mit beeindruckender Präsenz von Christa Théret, die in der Hauptrolle der Teenagerkomödie LOL sozusagen als Nachfolgerin von Filmmutter Sophie Marceau lanciert wurde. Noch ein Staffelstab?

Originaltitel: RENOIR

F 2012, 111 min
FSK 0
Verleih: Arsenal

Genre: Biographie, Liebe, Drama

Darsteller: Christa Théret, Michel Bouquet, Vincent Roittiers

Regie: Gilles Bourdos

Kinostart: 07.02.13

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...