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Riverbanks

Ein Fluß mit mehr als zwei Ufern

Die Überquerung des griechisch-türkischen Grenzflusses Evros gehört für viele Geflüchtete, die versuchen, nach Europa zu kommen, zu den gefährlichsten Wegpunkten ihrer Odyssee. Neben der offensichtlichen Gefahr, von Grenzern geschnappt zu werden oder in der reißenden Strömung des Flusses zu ertrinken, sind die Ufer noch immer mit Tretminen übersät. Die Minenfelder stammen noch aus der Zeit des Zypernkonflikts ’74.

Die Lokalisierung und das Abtragen eben jener Minen, die in gut 40 Jahren nichts von ihrer Vernichtungskraft eingebüßt haben, ist die Aufgabe des griechischen Soldaten Yannis und seines Trupps anderer, freiwilliger Soldaten. Eines Nachts sieht er am Ufer die Schleuserin-aus-Not Chryssa und verliebt sich augenblicklich in sie. Zwischen den beiden entspinnt sich eine Romanze, und sie versuchen, gemeinsam ein neues Leben zu beginnen und aus dem Kreislauf der Widrigkeiten des Flusses – bestehend aus Todesgefahr, Menschen- und Drogenschmuggel, Geflüchteten in Not und eigenen Existenzängsten – zu entkommen.

RIVERBANKS ist der ehrbare Versuch, die Komplexität des Geflüchteten-Dramas in eine fiktive, persönliche Geschichte einzubetten, narrativ aufzuarbeiten und zu beleuchten. Dieses Vorhaben funktioniert den Großteil des Films über sehr gut. Und vor allem die Konzentration auf die Protagonisten Yannis und Chryssa reißt mit und bietet durch die Perspektive des Grenzsoldaten und vor allem der Schleuserin neue Einblicke auf den Konflikt. Dadurch kommen jedoch zwangsläufig andere Teile des Ganzen zu kurz und die Nebenfiguren – die Drogenschmuggler, die Polizisten, ein Flüchtlingsjunge, der es als einziger über den Fluß schafft – bleiben merkwürdig blaß und unetabliert, obwohl der Film dem Zuschauer das Gefühl vermittelt, sie kennen zu müssen.

RIVERBANKS punktet mit (emotionaler) Tiefe und ungewohnten Einblicken. Er spart gekonnt explizite Bilder aus, ist dafür jedoch mit melancholisch-grauverhangenen Einstellungen angefüllt. Leider vernachlässigt der Film ein wenig die Details in den Randgebieten des gesamten, menschlichen Gemäldes.

Originaltitel: OHTHES

Griechenland/D/Türkei 2015, 96 min
FSK 12
Verleih: Real Fiction

Genre: Drama

Darsteller: Andreas Konstantinou, Elena Mavridou, Levent Uzumcu, Diamantis Adamandides

Regie: Panos Karkanevatos

Kinostart: 26.11.15

[ Philipp Winkler ] Philipp mag Filme, die sich in Randgebieten jeglicher Fasson abspielen. Filme, die mitten hinein treffen (und sei es in die Fresse). Filme, die frisch sind, selbst wenn sie siebzig Jahre alt sind. Philipp mag Literaturverfilmungen, denn er schreibt selbst. Doch grundsätzlich mag er auch Comicadaptionen, denn Philipp mag Comics. Er greift eher zu einem guten Dokumentar- als zu einem guten Spielfilm. Diese Leute mag Philipp besonders: James Marsh, Michael Haneke, Harmony Korine, Sabu, Errol Morris, Shohei Imamura, Jeff Nichols, Andrei Tarkowski, John Hillcoat, Hayao Miyazaki, György Palfi, Francis Ford Coppola und Hirokazu Koreeda.