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Rosas Höllenfahrt

Risikofreier Blick in den Orkus der katholischen Kirche

Rosa von Praunheim präsentiert sich gern als das Enfant terrible der deutschen Filmszene. Es gab Zeiten, da wurde er diesem Ruf durchaus gerecht. Diese Zeiten sind vorbei. Das kann man schade finden, muß man aber nicht. Vor allem dann, wenn er sich statt dessen wie zuletzt in MEINE MÜTTER auf behutsame Weise der eigenen, verschlungenen Biographie widmet und seine – manchmal ziemlich platten – Provokationen einfach stecken läßt.

Auch in seinem neuesten Film spielt der inzwischen fast 70jährige Vorreiter der deutschen Schwulenbewegung selbst eine nicht unbedeutende Rolle. Er, der bekennende Homosexuelle, der streng katholisch erzogen wurde, sorgt sich um den Frieden seiner Seele. Deshalb macht er sich auf, um zu erforschen, was es eigentlich mit der Hölle auf sich hat.

Um diese Frage zu beantworten, scheut von Praunheim keine Mühen. Er befragt Theologen, Fundamentalisten und Religionskritiker (darunter auch die unvergleichliche und unvermeidliche Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann); er reist nach Israel, Amerika und zum Katholikentag nach Osnabrück. Mit Hilfe seiner Interviewpartner durchforstet er die Weltreligionen akribisch nach dem religiösen Kern dessen, was Dante und Hieronymus Bosch als Höllenschlund so ungeheuer plastisch dargestellt haben.

Wie in einem guten Diavortrag erfahren wir viel Wissenswertes, zum Beispiel, daß Juden höchstens ein Jahr in der Hölle schmoren müssen und noch dazu am Samstag frei haben. Im Gegensatz dazu erscheint die ewige Verdammnis, der schwule oder anderweitig sündig gewordene Katholiken, also mithin von Praunheim selbst, entgegen sehen, natürlich wenig erstrebenswert. Leider gelingt es von Praunheim nicht, inmitten der Vielzahl der Einzelinformationen eine stringente eigene Argumentationslinie zu finden. Seine Höllenfahrt gleicht eher einer filmischen Materialsammlung, aus der heraus man beginnen könnte, einen künstlerischen, einen dokumentarischen und vor allem einen originären filmisch-visuellen Ansatz zu entwickeln. Diese Mühe macht sich von Praunheim aber nicht.

Sein Film bleibt auf dem „sicheren“, aber langweiligen Niveau einer TV-Doku. Der einzige Versuch, dem monotonen Nacheinander der Talking Heads Einhalt zu gebieten, besteht darin, einige leicht bekleidete Schauspieler Bilder aus den Höllenkreisen nachstellen zu lassen. Das ist dann wieder typisch Rosa. Und – wie immer bei ihm – wirklich Geschmackssache.

D 2009, 90 min
Verleih: Basis

Genre: Dokumentation, Schräg

Darsteller: Eva-Maria Kurz, Hamze Bytyci, Judith Evers, Maurice Ittershagen

Regie: Rosa von Praunheim

Kinostart: 03.12.09

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.