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Rosas Welt

Siebzig zum Siebzigsten

Im November feiert Rosa von Praunheim seinen 70. Geburtstag und schenkt sich und dem geneigten Zuschauer ein Kompendium von 70 Filmen und Filmchen. Ein Porträt-Reigen, eine Kosmos-Durchquerung, eine Galaxie-Erkundung. Vorgestellt werden Stricher, Tänzer, Transen. Schauspieler, Regisseure, Künstler. Junge und Alte. Berühmte und Berüchtigte. Einsame und Verliebte. Viele Männer, ein paar Frauen und manches dazwischen. Schwule und Heteros flanieren. Exaltierte Vögel spreizen ihr Gefieder, und scheinbar ganz normale Menschen berichten von plötzlich nicht mehr ganz so normalen Lebensläufen. Die Kulisse für all das behauptet Berlin zu sein, aber im Grunde ist es, wie eben schon gesagt und wie ja nicht zuletzt auch vom Titel dieser dicken Filmkladde verraten wird, Rosas Welt, die hier ihre ausgiebige Spiegelung erfährt.

Den Anfang macht dabei die Schauspielerin Eva Mattes. Ein altes Schwulenpaar, Nachbarn Rosa von Praunheims, folgt. Und natürlich: In der zeitlichen Komprimierung verdichten sich Lebensläufe, Reflexionen, Schicksalsschläge und Charakterporträt zu einem ohne Wenn und Aber interessanten Dokument. Starke Momente inklusive. Poetisch, wenn Rosa von Praunheim einer still und entspannt konzentrierten Eva Mattes ein Gedicht von Federico Garcia Lorca rezitiert. Berührend, wenn das sich seit 40 Jahren liebende Schwulenpaar in ihrer Wohnung zwischen Goldbarock-Nippes und SISSI-Filmen beider Liebe in Höhen und Tiefen reflektieren. Eine Liebe, zu der auch die gemeinsame Pflege eines mongoloiden Familienmitglieds gehört. Und es ist die kleine große Kunst gerade auch dieses Kurzporträts, daß jene Beobachtung des geduldigen, herzlichen und manchmal auch todtraurigen Umgangs nie zur Sentimentalität gerinnt. Auch nicht, wenn klischiert Klavierakkorde in Moll auf der Tonspur klimpern.

Kino freilich ist das alles in keiner Sekunde. TV-Bilder, TV-Ton, TV-Schnitt. Nichts, daß hier der Leinwand bedarf. Für die es wohl auch nicht gedacht ist. Warum ROSAS WELT sich jetzt trotzdem im Kino dreht? Nun ja, Rosa von Praunheim hat Geburtstag, da fragen wir mal nicht zu streng. Gratulieren vielmehr, wünschen alles Gute, viel Kraft – auch für weitere Schlaglichter auf und aus diesem Mikrokosmos, der eben Rosas Welt ausmacht.

D 2012, insgesamt ca 1200 m min
FSK 16
Verleih: Basis

Genre: Kurzfilm, Schwul-Lesbisch, Episodenfilm

Regie: Rosa von Praunheim

Kinostart: 15.11.12

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.