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Sascha

In Kölle ist die Hölle los

Man könnte es sich einfach machen und meinen, heute sei für einen jungen Menschen alles selbstverständlich, was kostet die Welt, die Jugend nimmt sich eh, was sie braucht, und in vielerlei Situationen geschieht dies ja auch – meist in einer Mischung aus Mut, Frechheit und dem permanenten Mundaufmachen. Und doch ist das zu kurz gesprungen. Denn plötzlich sehen wir in ein Gesicht, das unsicher, hübsch, ein wenig ängstlich, verliebt und von all dem selbst reichlich überfordert ist – in das Gesicht von Sascha. Nur auf den ersten Blick ein ganz normaler Junge, der sich finden muß, der in der Kommunikation durchaus ein wenig Ich-bezogen agiert, wozu auch gehört, daß er flott auf „besetzt“ tippt, wenn Mama mal wieder auf dem Handy anruft.

Man kann es dem Knaben aber auch wirklich nachsehen, Sascha geht grad durch die schwierigste Phase seines Lebens: die Aufnahmeprüfung an der Musikschule verhauen, die beste Freundin verprellt, schwer verliebt und nun auch noch schwul. Was an sich alles zu überstehen sein sollte, letzteres gerade in einer Stadt wie Köln. Wäre der Klavierlehrer Gebhard, das Objekt der jugendlichen Begierde, nicht geradezu ein Ausbund an dieser so ekelhaft modernen Unverbindlichkeit und wäre da nicht – schwerwiegender letztendlich – Saschas familiärer Hintergrund. Vor allem sein strenger und dabei irgendwie wilder Vater denkt über eine Rückkehr in die montenegrinische Heimat nach. Nicht das beste Timing, um aus dem Schrank zu kommen ...

Ja, Dennis Todorovic hat in seinen ersten Langspielfilm viel reingepackt – aber eben doch nicht zu viel. Was vor allem daran liegt, daß Todorovic kaum Angst hat, ausgetretene Wege zu verlassen. So mixt er seine Tragikomödie über sexuelles Erwachen mit einer Prise Migrationsthematik, würzt diese mit der einen oder anderen Deftigkeit inklusive teils gehörigem Trash-Appeal. Dieser Mix aus Skurrilem, Anrührendem und manchmal auch Grobschlächtigem läßt an filmische Derbheiten wie IM HIMMEL IST DIE HÖLLE LOS erinnern, nur daß in SASCHA letztendlich mit mehr Gefühl und nicht derart überkarikierten Figuren erzählt wird. Da paßt es auch zur Hauptfigur, daß sich deren Darsteller Sasa Kekez quasi vom Staunegesicht zum wirklich verletzten Jungen warm spielen muß und dann sein Publikum für sich gewinnt.

Mit SASCHA wird gottlob doch mal wieder der Beweis angetreten, daß man derzeit noch frisches deutsches Kino entdecken kann, das sich etwas traut, das weit entfernt von den sattsam gefürchteten Schreibtischplots zahlreicher Hochschulabsolventen verblüfft.

D 2010, 101 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Schwul-Lesbisch, Tragikomödie, Erwachsenwerden

Darsteller: Saša Kekez, Tim Bergmann

Regie: Dennis Todorovic

Kinostart: 31.03.11

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.