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Schläfer

Die schleichende Korrumpierung der Seele

Benjamin Heisenberg ist einer jener reflektierten, jungen deutschen Filmemacher, die der französischen Filmkritik bereits früher aufgefallen waren als der hiesigen. Unter anderem schrieb er das Drehbuch zu Christoph Hochhäuslers Film MILCHWALD, der in Deutschland völlig mißachtet wurde. Mit SCHLÄFER liefert er nun nicht nur als Drehbuchautor, sondern auch als Regisseur eine präzise und intelligente Arbeit ab. Gut erzählt, glaubwürdig, relevant.

Es geht um die Nachwehen des 11. September, um die kaum meßbaren Erschütterungen in der Wahrnehmung selbst solcher Menschen, die sich für unbestechlich halten. Wie Johannes. Der ehrgeizige junge Wissenschaftler ist neu am Münchner Institut für Virologie. Wenn er am Anfang auf dem Weg zur Arbeit von einer Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes umworben wird, ist er zunächst empört. Doch sie hat ihn gut ausgewählt: "Sie wollen zu den Guten gehören.", sagt sie ihm auf den Kopf zu. Er soll Informationen über seinen algerischen Kollegen Farid liefern. Johannes lehnt ab, aber der Zweifel ist gesät. Selbst als er sich mit Farid anfreundet, beäugt er den vermeintlichen Terroristen. Schließlich geraten die beiden Freunde in einen Konkurrenzkampf im Beruf und um eine Frau, und Johannes wird schwach.

Filme, die man "wach und aufmerksam" sieht, bezeichnet Heisenberg sehr richtig als politisch. Das trifft auf SCHLÄFER zu, obwohl oder gerade weil es nicht um ein konkretes politisches Szenario geht. Der Konflikt findet eher subtil und im Privaten statt, in Kneipen, im Labor oder beim Videospielen. Uneingestandene Mißgunst und Sehnsüchte werden zum Motor des Handelns. Der Film holt damit quasi den Agententhriller auf die Ebene der Realität oder zumindest des Alltags zurück. Und der stimmt einfach.

Die sterile Atmosphäre am Institut oder Johannes, der korrekte und integere Einzelgänger mit seinen karierten Hemden, das alles wirkt absolut natürlich. Gleichzeitig fängt der Film ein Gefühl der Unentschlossenheit und Positionslosigkeit ein, man kann auch sagen ein Gefühl moderner Einsamkeit.

D 2005, 100 min
Verleih: Zorro

Genre: Drama, Psycho, Polit

Darsteller: Bastian Trost, Mehdi Nebbou, Loretta Pflaum

Stab:
Regie: Benjamin Heisenberg
Drehbuch: Benjamin Heisenberg

Kinostart: 03.08.06

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...