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Schwedisch für Fortgeschrittene

Hochamüsantes Kino vom Versagen der Männer

Die Lage ist so klar wie verkorkst. Beide sind bis über die Ohren hinaus frustriert. Gudrun, die Politesse, deren größtes Abenteuer am Wochenende darin besteht, den Kühlschrank abzutauen, die sich in nimmermüden Streitereien mit ihrer erwachsenen und besserwisserischen Tochter plagt und die das Strategiespiel "Wie lerne ich jemanden kennen?" scheinbar komplett vergessen hat. Das wiederum klappt bei Elisabeth, die Gynäkologin, noch ganz wunderbar, wenn auch da im fortschreitenden Alter der Alkohol ein bißchen häufiger fließt und die Verzweiflung einen Ton schriller quiekt. Die Frauen stoßen sprichwörtlich aufeinander, Gudrun will der Falschparkerin Elisabeth einen Strafzettel verpassen, die erwidert, den solle sie sich selbst aber gefälligst dorthin schieben, wo nie die Sonne scheint ...

Der Anfang einer wunderbaren Freundschaft? Nicht ganz, erst muß Gudrun, die hinter jedem Pickel den fiesesten aller Tumore wittert, einen Termin bei der Frauenärztin Elisabeth überstehen - und dann geht er los, der nordische Frauenbefreiungsschlag im Tonfall von THELMA & LOUISE. Was die Filme verbindet, ist das Versagen der Männer. Hier wird zwar nicht geprügelt, aber was soll man schon von einem halten, der bei der Hochzeit seines Sohnes von der eigenen Scheidung parliert, dabei unermüdlich Brel, Huber und Fellini zitiert? Und der andere Göttergatte? Weg, ausradiert, metaphorisch gestorben. Und trotz einiger Parallelen zu Ridley Scotts fabelhaftem Werk ist in dieser emotionsgeladenen, teilweise irre komischen Frauenfreundschaft der Grundton weitaus erdiger, hier braucht es keine Canyon- und Wüstenbilder um zu beschreiben, wie Freiheit so schnuppert. Hier wird wild getanzt, geflirtet, Narretei betrieben - die beiden Frauen nehmen sich nur, was ihnen eh’ gehört. Dem folgt bisweilen - weil das Leben ein ewiger Prüfstein ist - ein beispielloser Ausraster auf dem Damenklo, das eine oder andere gemeinsame Besäufnis, das anschließende Kotzgelage und das verheulte Ausnüchtern.

Es ist ganz wunderbar, wie Colin Nutley sich auf leichtem Fuße eines universellen Themas annimmt: seine Antwort auf die Fragen, ab wann man zu alt für Party! Party! Party! ist, und ab wann es peinlich wird, durch Diskotheken im Leoparden-Mini zu tanzen, ist stets ein kategorisches Nie! Seine Devise ist die des Bauchgefühls, und diese vernunftgeprägte Emotion trägt er seinen fabelhaft gespielten Frauenfiguren ganz glaubwürdig an. Menschliche Entgleisungen gehören - zumal zur Unterhaltung eines Publikums - dazu, und so darf man den Polizisten im Suff schon mal nach seinem dicken Knüppel fragen und ist wie nebenher zu erfahren, daß auch bei Bikern die einzig echte Pferdestärke sich übern Auspuff bemerkbar macht.

Und da es sich um einen schwedischen Film handelt, konnte man von Beginn darauf setzen, daß auch derbe Späße kaum vulgär rüberkommen, und es eben nicht gleich maßlos sein muß, wenn wer darauf besteht, daß mehr einfach mehr ist! Und daß Freiheit halt nicht nur nach Sonntagsbrötchen riecht. Wunderbar!

Originaltitel: HEARTBREAK HOTEL

S 2006, 102 min
Verleih: Prokino

Genre: Komödie

Darsteller: Helena Bergström, Maria Lundqvist, Henrik Ek, ke Nyman

Regie: Colin Nutley

Kinostart: 05.07.07

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.