Originaltitel: SICARIO

USA 2015, 121 min
FSK 16
Verleih: StudioCanal

Genre: Action, Thriller

Darsteller: Emily Blunt, Josh Brolin, Benicio Del Toro, Jon Bernthal

Regie: Denis Villeneuve

Kinostart: 01.10.15

12 Bewertungen

Sicario

Hot Spot Mexiko

Es gibt Länder, die haben einfach kein Glück. Die Wahrnehmung von ihnen im internationalen Kino ist, gelinde gesagt, sehr einseitig. Ein Film aus Israel ohne den Konflikt mit den Palästinensern? Äußerst selten. AM ENDE EIN FEST ist gerade eine Perle dieser Art. Komödiantisches aus Mexiko oder zumindest vor mexikanischer Kulisse? Man bräuchte ein Trüffelschwein mit ausgeprägt guten Sinnen, um etwas in der Art zu finden. So ist es denn alles andere als überraschend, daß im Oktober gleich drei Filme starten, die ihren Blick auf die üblichen Hot Spots Mexikos richten: Drogen, Fluchten, Hoffnungslosigkeit, an den Verstrickungen zwischen Oben und Unten, am Geduldet und Forciert, Gelitten und Gejagt etwas ändern zu können.

FRONTERA von Michael Berry erscheint dabei nur als DVD und spielt auf einer Western-Klaviatur ein solides Schlepper-Opfer-Schuld-und-Unschulds-Stück. Der Dokumentarfilm CARTEL LAND von Matthew Heineman findet seinen Weg zwar in ausgewählte Spielstätten, wird sich aber nur von allzu mutigen Betreibern auserwählen lassen. Was schade ist, denn mit seinem brennpunktnahen Fokus auf Bürgerwehren in den USA und Mexiko ist er eine nachgerade ideale Ergänzung zu Denis Villeneuves SICARIO, um den es an dieser Stelle ausführlich gehen soll. Denn er ist von bestechender Güte.

Zunächst ein Kniff: Der Zuschauer wird im Wissen um Details fast die gesamte Lauflänge über die Perspektive von Kate Macer einnehmen. Obwohl in prädestinierter Position und an vorderster Front agierend, gerät die FBI-Agentin auf eine Art Schachbrett der Interessen. Man schiebt sie herum, und das naheliegende Mann/Frau-Ding scheint primär nicht der Grund dafür zu sein. Kate war dabei, als ein Sonderkommando das Versteck eines mexikanischen Drogenkartells auf amerikanischem Boden aufgebracht hat. Dabei hat sie Kollegen verloren, was ihr moralisches Drängen nach wirksamen Mitteln gegen diesen störrisch heißen Krieg nur verstärkt. Als man eine weitere Sondereinheit bildet, diesmal unter Einbeziehung von CIA und Anti-Drogen-Behörde DEA, sagt Kate schnell zu. Sie weiß nicht, wohin dieses Ja führen wird. Es führt sie zunächst von El Paso nach Juarez, eine Stadt, die „The Beast“ genannt wird.

Nicht ohne Grund, denn am Ende dieser atemberaubend inszenierten Fahrt im Konvoi über Highways und dicht gefüllte, eben biestige Straßen werden Körper unter Brücken hängen. Das Werk vom Diaz Clan. Dessen Boß habhaft zu werden, wäre „wie die Erfindung eines Impfstoffs.“ Und die Rückfahrt erst! Schon hier zeigt sich, wie sicher der Frankokanadier Villeneuve auch mit offenkundigen Thriller-Elementen spielen kann, wie er Kriegsszenarien bebildert und vertont, seine Figuren aber in ein zunehmend wildwüchsiges Geflecht von Mehrdeutigkeiten schickt.

Da ist Matt Graver, ein Agent im Dienste seiner eigenen Majestät, arrogant am Drahte ziehend. Oder Alejandro, ein mexikanischer Ex-Staatsanwalt als Söldner der anderen Seite, der zum eigentlichen Mit- und Gegenspieler geriert. Kate Macer muß Worte hören wie: „Sie werden alles in Frage stellen und nichts begreifen.“ Und sie wird diese Worte leben.

Der hitzige SICARIO macht in seiner virtuosen Komplexität die Logik zum Teufel und jede allzu leichtfertige Erklärung zum Weihwasser für ihn.

[ Andreas Körner ]